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Vermeintlich überschuldeter Nachlass: Anfechtung der Erbausschlagung in bestimmten Fällen zulässig

Erben & Schenken 26. Mai 2021
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MQ-Illustrations / stock.adobe.com

Wer nichts als Schulden erbt, tut gut daran, das Erbe auszuschlagen. Was aber, wenn man nicht rechtzeitig erkennt, dass es doch etwas zu erben gab? In manchen dieser Fälle kann man die Erbausschlagung wieder rückgängig machen.

Ein geschiedener, kinderloser Mann war von der Polizei tot in seiner völlig vermüllten und verdreckten Wohnung aufgefunden worden. Die Eltern des Toten waren vorverstorben, Geschwister hatte er nicht. Erbe war der Cousin des Verstorbenen. Der schlug gegenüber dem Nachlassgericht das Erbe aus. Der Wert des Nachlasses war ihm nicht bekannt und nach Auskunft des Nachlassgerichts war die Bestattung aus öffentlicher Hand gezahlt worden. Aufgrund dieser Umstände ging der Cousin von einer Überschuldung des Nachlasses aus. Auch zwei Telefonate mit dem Nachlassgericht hatten nichts Gegenteiliges ergeben.

Nachdem der Nachlasspfleger festgestellt hatte, dass sich ein nicht unerhebliches Vermögen im Nachlass befand, focht der Cousin seine Ausschlagungserklärung an. Er habe den Worten der Polizei vertraut, der Nachlass sei sicher überschuldet, weil sich die Wohnung des verstorbenen in einem erbarmungswürdigen Zustand befunden habe. Das Oberlandesgericht Düsseldorf gestand dem Mann ein Anfechtungsrecht zu. Ein Irrtum über die Überschuldung des Nachlasses gewähre dem Ausschlagenden ein Anfechtungsrecht, das er frist- und formgerecht ausüben müsse. Dies gelteaber  indes nur, wenn der Irrtum bezüglich der Überschuldung auf falschen Vorstellungen hinsichtlich der Zusammensetzung des Nachlasses, also bezüglich des Bestandes an Aktiva und Passiva, beruhe.

Nicht zur Anfechtung berechtigt sei, wer ohne nähere Kenntnis der Zusammensetzung des Nachlasses einer Fehlvorstellung über dessen Größe unterliege. Anfechtungsberechtigt sei somit nicht derjenige, der seine Entscheidung auf spekulativer – bewusst ungesicherter Grundlage getroffen habe.

Letzteres war hier nicht der Fall. Schließlich hatte sich der Cousin bemüht, Einzelheiten zum Nachlass in Erfahrung zu bringen. Dazu hatte er Auskünfte bei den mit der Sache befassten öffentlichen Stellen eingeholt. Hinzu kam, dass es keine weiteren taugliche Informationsquellen gab.

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 20.11.2020, I-3 Wx 166/20