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Was gilt für eine Pandemie-bedingte Stornierung der Klassenfahrt?

Reisen & Urlaub 17. Januar 2022
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Monkey Business / stock.adobe.com

Die Corona-Pandemie stellt eine erhebliche Beeinträchtigung im Sinne des Reiserechts dar. Der Reisende ist zum Rücktritt der Reise berechtigt und kann den vollen Reisepreis zurückverlangen.

Anfang 2020 buchte eine an einer Privatschule beschäftigte Lehrerin eine 7-tägige Klassenfahrt nach Liverpool bei einem Reiseveranstalter. Vertragspartner wurde dabei der Schulträger, eine Stiftung. Die Fahrt sollte vom 15. bis zum 21.3.2020 dauern.

Der Reisepreis in Höhe von rund € 10.000,- wurde von der Stiftung vollständig bezahlt. Am 12.3.2020 stornierte die Lehrerin im Auftrag der Schule die Reise. Der Veranstalter erstattete allerdings nur einen Betrag von knapp € 1.000,-.

Der Schulträger verlangte daraufhin auch die Rückzahlung des Restbetrages von fast € 9.000,-. Begründung: Man sei zu einem entschädigungslosen Reiserücktritt berechtigt gewesen. Im Zeitpunkt der Stornierung habe eine erhebliche Beeinträchtigung im Sinne des § 651h Abs. 2 BGB vorgelegen. Die in England grassierenden Coronavirus-Pandemie erfülle diese Voraussetzungen.

Das Oberlandesgericht Hamm entschied, der Reiseveranstalter muss den vollen Reisepreis an die Stiftung zurückzahlen. Mit der COVID-19-Pandemie lag eine erhebliche Beeinträchtigung im Sinne des Gesetzes vor.

Die Ansteckungsgefahr am Zielort (Liverpool) war im fraglichen Zeitpunkt deutlich höher als hier in Deutschland. Es bestand somit ein konkretes Infektionsrisiko und die ernsthafte Gefahr für erhebliche Gesundheitsschäden.

Dass das Auswärtige Amt erst am 17.3.2020 eine Reisewarnung aufgrund der Corona-Pandemie für das gesamte Ausland ausgesprochen hat, ändert daran nichts. Entscheidend ist vielmehr, dass im Zeitpunkt der Stornierung am 12.3.2020 bekannt war, dass es sich bei dem Virus SARS-CoV-2 um einen neuartigen Krankheitserreger handelt, der eine ganz erhebliche Gesundheitsgefahr darstellt (z.B. akute Atemwegserkrankungen, die im schlimmsten Fall tödlich verlaufen können). Es gab weder Therapiemöglichkeiten noch einen Impfstoff.

Insbesondere bei Klassenfahrten erwarten die Eltern, dass die Schüler in einem sicheren Umfeld reisen können. Dem widersprach die Pandemielage in England. Die Wahrscheinlichkeit, sich auf Reisen mit dem Virus zu infizieren, war deutlich höher, als die Situation am Heimartort. Bereits am 12.3.2020 stand zudem eine Schulschließung konkret zur Entscheidung an und wurde am 13.3.2020 beschlossen: Die Schüler wurden zur eigenen Sicherheit nach Hause geschickt.

OLG Hamm, Urteil vom 30.8.2021, 22 U 33/21