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Minderjähriges Kind hat Auskunftsanspruch gegen Samenbank

Familie & Vorsorge 27. Juli 2020
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VILevi / stock.adobe.com

Künstlich gezeugte Kinder haben das Recht, die Identität ihres biologischen Vaters zu erfahren. Der Anspruch darauf steht schon Minderjährigen zu und kann auch gegen den Betreiber der Samenbank gerichtet sein. So das Amtsgericht Wedding.

Die Eltern eines inzwischen 8-jährigen Mädchens hatten Anfang 2008 einen Vertrag mit einer Samenbank geschlossen, um sich ihren Kinderwunsch zu erfüllen. Laut Vertrag war die Samenbank verpflichtet, auf Anforderung des behandelnden Gynäkologen Spendersamen zu liefern. Die Eltern verzichteten ihrerseits in einer notariellen Vereinbarung am 29.2.2008 gegenüber dem natürlichen Vater und dem behandelnden Arzt auf die Preisgabe der Identität des Spenders. Bei der Mutter des Mädchens wurde kurz darauf eine künstliche heterologe Insemination durchgeführt; das Kind wurde am 20.12.2008 geboren. Die Eltern haben nun im eigenen Namen und im Namen des Kindes als dessen gesetzliche Vertreter die Samenbank verklagt, um die Identität des Samenspenders zu erfahren.

Die Eltern bzw. das Kind bekamen vor dem Amtsgericht Berlin-Wedding recht. Begründung: Es bestehe eine Sonderverbindung zwischen dem Kind und der Samenbank. Ebenso wie der Behandlungsvertrag zwischen den Wunscheltern und einer Klinik für Reproduktionsmedizin eine Schutzwirkung für das zu zeugende Kind entfalte, schütze der Vertrag mit einer Samenbank das Kind. Auf dieser Sonderverbindung beruhe der Auskunftsanspruch des Kindes. Das Gericht berief sich bei dem Urteil auf eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH, Urteil vom 28.1.2015, Az. XII ZR 201/13). In dem vom BGH entschiedenen Fall ging es um die Klage gegen eine Kinderwunschklinik.

Das Kind brauche für sein Auskunftsverlangen auch kein Mindestalter zu haben. Vielmehr dürften die Eltern aufgrund ihres Elternrechts entscheiden, wann und unter welchen Umständen sie das Kind von seiner Herkunft in Kenntnis setzen würden.

Die Beweisaufnahme, bei der die seinerzeit behandelnde Gynäkologin als Zeugin vernommen wurde, hatte ergeben, dass das Kind tatsächlich durch den von der beklagten Samenbank gelieferten Spendersamen gezeugt worden war. Dies hatte der Samenbankbetreiber nämlich im Rahmen der Klageerwiderung bezweifelt. Das Gericht hielt es für den Betreiber der Samenbank darüber hinaus für zumutbar, in diesem Fall Auskunft zu erteilen. Das verfassungsrechtlich geschützte Recht des Kindes auf Kenntnis der eigenen Abstammung wiege schwerer als die grundrechtlich geschützten Interessen der Samenbank. Zwar stehe dem Samenspender das Recht auf informationelle Selbstbestimmung zu, andererseits habe er sich bewusst mit einem maßgeblichen Beitrag an der Zeugung menschlichen Lebens beteiligt und trage dafür eine soziale und ethische Verantwortung.

Die ärztliche Schweigepflicht stehe der Auskunft ebenfalls nicht entgegen, da die Eltern des Kindes selbst durch die Klageerhebung ihre Zustimmung gegeben hätten. Es sei auch nicht erforderlich, vorrangig den behandelnden Arzt zu verklagen, zumal die beklagte Samenbank eher Informationen über die Identität erteilen könne als der ärztliche Behandler. Die Spenderdaten, die die Samenbank nun mitteilen muss, sind Vor- und Nachname des Mannes, Geburtsdatum, Personalausweisnummer und Anschrift zum Zeitpunkt der Spende.

(AG Wedding, Urteil vom17.4.2017, Az. 13 C 259/16)