Flugreise: Sturz auf der mobilen Ausstiegstreppe – wer haftet?
Ein Ehepaar reiste gemeinsam mit seinem 2-jährigen Sohn. Der Flug von Thessaloniki ging nach Wien, wo es bei Ankunft nieselte. Beim Ausstieg über die nasse mobile Treppe trug sie eine Handtasche in der rechten Hand und ihren Sohn auf dem linken Arm. Sie stürzte ohne ersichtlichen Grund auf der Treppe und brach sich den Unterarm. Vor ihr war ihr Mann an derselben Stelle fast gestürzt.
Die Frau klagte auf Schmerzensgeld in Höhe von knapp € 4.700,– sowie auf eine Entschädigung für die Bezahlung einer Haushaltshilfe.
Die Fluggesellschaft zahlte nichts und argumentierte, eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht liege nicht vor. Die Treppe sei mangelfrei gewesen. Sie sei weder ölig noch schmierig gewesen, sondern nur nass vom Nieselregen. Die Frau dagegen habe nichts getan, um einen Sturz zu verhindern. Sie habe vielmehr zum Unfall beigetragen, weil sie sich nicht an einem der Handläufe der Treppe festgehalten habe. Dabei habe sie sehen können, wie rutschig die Treppe war, weil ihr Mann vor ihr beinahe gestürzt sei.
Ein österreichisches Bezirksgericht gab in erster Instanz der Airline Recht. Das angerufene Berufungsgericht legte beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) die Frage vor, wann eine Fluggesellschaft – gemäß dem Montrealer Übereinkommen zum Flugverkehr(MontÜbK) – von der Haftung befreit sei.
Der EuGH stellte klar: Stürzt ein Fluggast auf einer Flugzeugtreppe, haftet nach laut MontÜbK unabhängig von eigenem Verschulden die Airline.
Eine (teilweise) Haftungsbefreiung für die Airline kommt nur in Betracht, wenn sie nachweisen kann, dass der Passagier durch sein Verhalten den Unfall (mit-)ausgelöst hat. Das muss im konkreten Fall das nationale Gericht prüfen (z.B.: Kann die Airline nachweisen, dass der Fluggast zur Verletzung beigetragen hat?). Das Gericht muss dabei berücksichtigen, dass die Frau sich zwar nicht festgehalten hat, dass sie aber zugleich für die Sicherheit ihres Kleinkindes Sorge tragen musste.
EuGH, Urteil vom 2.6.2022, C-589/20