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Airline haftet für Verletzungen nach einem »Kaffee-Unfall«

Reisen & Urlaub 14. Januar 2020
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bignai / stock.adobe.com

Eine Fluglinie haftet für die Folgen von Verbrühungen, die dadurch entstehen, dass während eines Fluges aus nicht geklärten Gründen heißer Kaffee umkippt. Der Unfall muss dabei nicht mit einem »flugspezifischen Risiko« zusammenhängen.

Ein im Zeitpunkt des Unfalls 6-jähriges Mädchen flog mit ihrer Familie von Mallorca nach Wien. Eine Stunde nach dem Start servierte eine Flugbegleiterin dem Vater einen frisch gebrühten Kaffee. Dieser wurde in einen decklosen Becher eingeschenkt. Der Vater stellte ihn auf das ausgeklappte Abstellbrett vor seinem Sitz. Aus ungeklärten Gründen geriet der Becher ins Rutschen und der heiße Kaffee ergoss sich über die Brust der Tochter.

Das Kind erlitt dabei mittelschwere Verbrennungen, bei denen Narben zurückbleiben. Das verletzte Mädchen verlangte von der (mittlerweile insolventen) Fluglinie NIKI Schadensersatz.

Die Airline wies die Verantwortung zurück. Es habe sich nicht um einen Unfall im Sinne des Montrealer Übereinkommens (MontÜbk) gehandelt. Dieses regelt die Haftungsfragen auf Flügen. Der Begriff des »Unfalls« setze voraus, dass sich ein flugspezifisches Risiko realisiert. Hieran fehle es im vorliegenden Fall. Denn es konnte nicht festgestellt werden, ob der Kaffeebecher beispielsweise wegen eines Defekts des ausklappbaren Abstellbretts oder durch ein Vibrieren des Flugzeugs kippte.

Der Europäische Gerichtshof folgte der Argumentation der Airline nicht und bejahte deren Schadensersatzpflicht. Zum einen stützte sich das Gericht auf die gewöhnliche Bedeutung des Begriffs »Unfall«. Dabei handelt es sich um ein unvorhergesehenes, unbeabsichtigtes, schädigendes Ereignis.

Zum anderen stellte es fest, dass mit dem MontÜbk eine Regelung der verschuldensunabhängigen Haftung von Fluglinien eingeführt und gleichzeitig für einen »gerechten Interessenausgleich« gesorgt wird.

Im Rahmen seiner Entscheidung leitete der EuGH daraus eine Definition ab. Unter einem »Unfall« versteht man jeden an Bord eines Flugzeugs vorfallenden Sachverhalt, in dem ein bei der Fluggastbetreuung eingesetzter Gegenstand eine körperliche Verletzung eines Reisenden verursacht. Es kommt dabei nicht darauf an, ob der Sachverhalt auf ein luftfahrtspezifisches Risiko zurückgeht. Das heißt, es muss kein Zusammenhang zwischen dem »Unfall« und dem Betrieb oder der Bewegung des Flugzeugs vorliegen.

EuGH, Urteil vom 19.12.2019, C-532/18

Anmerkungen der Redaktion: Der EuGH wies zugleich darauf hin, dass die Haftung nach dem MontÜbk zulässigerweise beschränkt oder ausgeschlossen werden kann. Dazu muss die Airline nachweisen, dass der Reisende den Schaden selbst verursacht oder dazu beigetragen hat. Außerdem darf die Fluglinie ihre Haftung auf 100.000 sogenannte »Sonderziehungsrechte« beschränken (vgl. Beitrag 10a/5), indem sie nachweist, dass der Schaden nicht von ihr oder aber ausschließlich von einem Dritten verschuldet wurde.