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Wann Arbeitnehmer Anspruch auf Sonderurlaub haben

Unternehmen führen 18. Oktober 2017
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Wann Arbeitnehmer Anspruch auf Sonderurlaub haben

© william87 / adobe.stock.com

Neben dem normalen Urlaubsanspruch haben Arbeitnehmer in bestimmten Fällen auch einen Anspruch auf Sonderurlaub. Wann Arbeitnehmer Sonderurlaub beantragen können und was dabei beachtet werden muss, erfahren Sie hier.

Arbeitnehmer haben einen gesetzlichen Anspruch auf Erholungsurlaub. Darüber hinaus besteht aber auch die Möglichkeit, Sonderurlaub vom Arbeitgeber zu erhalten. Und je nach Grund kann dieser bezahlt oder unbezahlt gewährt werden. Außer gesetzlichen Ansprüchen begründen unter Umständen auch Ansprüche aus Tarifverträgen und Betriebsvereinbarungen einen Anspruch auf Sonderurlaub.

Haben Arbeitnehmer aus persönlichen Gründen Anspruch auf bezahlten Sonderurlaub?

Ein Arbeitnehmer hat bei einer persönlichen Arbeitsverhinderung Anspruch auf bezahlte Freistellung, wenn er unverschuldet für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit durch einen in seiner Person liegenden Grund an der Arbeitsleistung verhindert ist (§ 616 BGB).

Ein hinreichender persönlicher Grund liegt regelmäßig dann vor, wenn es dem Arbeitnehmer wegen seiner persönlichen Verhältnisse nicht zumutbar ist, seine Arbeitsleistung zu erbringen. Das ist u.a. der Fall bei

  • der eigenen Hochzeit und bei der Hochzeit der Kinder,
  • der goldenen Hochzeit der Eltern
  • der Niederkunft der Ehefrau,
  • Todesfällen im engsten Familienkreis
  • Arztbesuchen, wenn die Behandlung außerhalb der Arbeitszeit nicht durchgeführt werden kann.
  • einem Umzug, wenn der Wohnort aus beruflichem Anlass gewechselt werden muss,
  • der Pflege oder Betreuung eines erkrankten Kindes, das über 12 Jahre alt ist.

 

Achtung: Selbst wenn einer dieser Gründe vorliegt, bedeutet es nicht, dass der Arbeitnehmer in jedem Fall Anspruch auf Sonderurlaub hat. Ob er genehmigt wird, ist immer vom Einzelfall sowie von den jeweiligen Regelungen des Unternehmens abhängig.

Die Arbeitsverhinderung darf nur für eine „verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit“ andauern. Maßgebend sind dabei die konkreten Umstände des Einzelfalls, insbesondere die Art der Arbeit und die Dauer des Arbeitsverhältnisses im Vergleich zum Zeitraum des Arbeitsausfalls. Als Faustregel gilt: Bei einer Beschäftigung bis zu sechs Monaten ist eine Zeitspanne von maximal drei Tagen angemessen. Ist der Arbeitnehmer bis zu einem Jahr beschäftigt, kommt eine Freistellung bis zu einer Woche, bei einem längeren Beschäftigungsverhältnis von zwei Wochen in Betracht.

Besteht Anspruch auf Sonderurlaub zur Pflege oder Betreuung eines erkrankten Kindes?

Wer in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert ist, hat nach § 45 Sozialgesetzbuch – Fünftes Buch – Anspruch auf Freistellung zur Pflege des erkrankten Kindes, wenn

  • das Kind noch keine 12 Jahre alt ist,
  • die Betreuung aus ärztlicher Sicht erforderlich ist,
  • über die Krankheit ein ärztliches Zeugnis vorgelegt wird und
  • im Haushalt keine andere Person lebt, die das Kind betreuen kann.

Liegen diese Voraussetzungen vor, kann der Arbeitnehmer sich für jedes Kind unbezahlt bis zu zehn Arbeitstage im Jahr, als Alleinerziehende 20 Arbeitstage im Jahr freistellen lassen. Bei mehreren Kindern kann man für höchstens 25 Arbeitstage, als Alleinerziehende für höchstens 50 Arbeitstage im Jahr unbezahlte Freistellung verlangen.

Während der Freistellung besteht Anspruch auf Kinderkrankengeld, wenn das kranke Kind bei den Eltern mitversichert ist. Das Krankengeld beträgt 70 Prozent des beitragspflichtigen Arbeitseinkommens.

Achtung: Wie bei jeder Arbeitsunfähigkeit muss der Arbeitgeber möglichst noch vor Arbeitsbeginn, spätestens jedoch in der Regel zwei Stunden nach dem eigentlichen Arbeitsbeginn benachrichtigt werden. Versäumt der Arbeitnehmer diese Pflicht, so kann dies zu einer Abmahnung und im Wiederholungsfalle auch zu einer Kündigung des Arbeitsverhältnisses führen.

Wann hat der Arbeitnehmer Anspruch auf Freistellung zur Pflege eines Angehörigen?

Bei einem unerwartetem Eintritt einer Pflegesituation eines nahen Angehörigen dürfen Arbeitnehmer nach dem Pflegezeitgesetz bis zu zehn Tagen der Arbeit fernbleiben, um den pflegebedürftigen Angehörigen zu pflegen. Der Anspruch auf Freistellung besteht gegenüber allen Arbeitgebern, unabhängig von der Größe des Betriebs. Das Recht, der Arbeit fernzubleiben, ist auf Akutfälle begrenzt und kann nur in Anspruch genommen werden, wenn im konkreten Fall die Notwendigkeit einer pflegerischen Versorgung besteht (z. B. bei einer akut eintretenden Pflegebedürftigkeit oder bei einer plötzlichen Verschlimmerung einer bereits bestehenden Pflegebedürftigkeit). Zu den nahen Angehörigen gehören u.a. Großeltern, Eltern, Schwiegereltern, Geschwister, Ehegatten, Lebenspartner, Kinder oder Enkelkinder.

Achtung: Der Arbeitnehmer muss dem Arbeitgeber seine Verhinderung und deren voraussichtliche Dauer unverzüglich mitteilen. Auf Verlangen des Arbeitgebers muss der Beschäftigte eine ärztliche Bescheinigung über die Pflegebedürftigkeit des nahen Angehörigen und die Notwendigkeit der pflegerischen Versorgung vorlegen.

Für die kurzzeitige Arbeitsverhinderung bis zu zehn Arbeitstagen besteht Anspruch auf Pflegeunterstützungsgeld als Lohnersatzleistung. Dieses kann bei der Pflegeversicherung des Angehörigen beantragt werden.

Anspruch auf bis zu sechs Monate Freistellung haben Arbeitnehmer nach dem Pflegezeitgesetz, wenn sie einen pflegebedürftigen nahen Angehörigen in häuslicher Umgebung pflegen wollen. Allerdings besteht dieser Anspruch nur für Arbeitnehmer, die in einem Betrieb mit mehr als 15 Beschäftigten arbeiten. Während der Pflegezeit erhält der freigestellte Arbeitnehmer kein Pflegeunterstützungsgeld. Er kann allerdings ein zinsloses Darlehen beim Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben beantragen, um die Einkommensverluste abzufedern.

Achtung: Der Beschäftigte muss die Pflegezeit gegenüber dem Arbeitgeber spätestens zehn Arbeitstage vor deren Beginn schriftlich ankündigen. Hierbei hat der Arbeitnehmer anzugeben, für welchen Zeitraum er Pflegezeit in Anspruch nehmen will.

Hat der Arbeitnehmer wegen eines Vorstellungsgesprächs Anspruch auf Sonderurlaub?

Bezahlten Sonderurlaub für ein Vorstellungsgespräch kann der Arbeitnehmer nur verlangen, wenn das Ende seines derzeitigen Beschäftigungsverhältnisses absehbar ist (§ 629 BGB). Das ist insbesondere der Fall, wenn dem Arbeitnehmer ordentlich oder außerordentlich (fristlos) gekündigt wurde, er selbst gekündigt hat, das Arbeitsverhältnis durch einen Aufhebungsvertrag beendet wird oder das Ende eines befristeten Arbeitsverhältnisses bevorsteht. Anspruch auf Freistellung besteht nicht nur für Vorstellungsgespräche, sondern für alle im Zusammenhang mit der Suche nach einem neuen Arbeitsplatz zusammenhängende Aktivitäten. Dazu gehören auch der Termine zur Vervollständigung der Bewerbungsunterlagen, bei der Arbeitsagentur und bei privaten Jobvermittlungen, zur Eignungsfeststellung (z. B. Eignungstests, Assessment-Center) und zu psychologischen und arbeitsmedizinischen Untersuchungen.

Der Arbeitgeber ist gesetzlich verpflichtet, dem Arbeitnehmer „angemessene“ Zeit für die Suche eines anderen Arbeitsplatzes zu gewähren. Dabei steht dem Arbeitnehmer ein gewisser Ermessensspielraum zu. Er kann selbst entscheiden, welche Maßnahmen er zur Stellensuche ergreifen will.

Besteht Anspruch auf Freizeit zur Stellensuche, muss der Arbeitgeber die vereinbarte Vergütung fortzahlen. Das gilt allerdings nur für eine „nicht erhebliche Zeit“. Als Faustregel werden bei einer Beschäftigung bis zu sechs, zwölf und mehr als zwölf Monaten ein Zeitraum von drei Tagen, einer und zwei Wochen für nicht erheblich angesehen.

Achtung: Will der Arbeitnehmer für ein Vorstellungsgespräch von der Arbeit freigestellt werden, muss er dies rechtzeitig beantragen. Wird der Antrag zu kurzfristig gestellt, kann der Arbeitgeber diesen ablehnen, weil er beispielsweise keinen Ersatz gefunden hat. Zu kurzfristig ist der Antrag, wenn der Arbeitgeber nicht die nötigen Vorkehrungen treffen kann, um Störungen im Betriebsablauf zu vermeiden.

Hat der Arbeitnehmer Anspruch auf Sonderurlaub, wenn er sich beruflich weiterbilden will?

In den meisten Bundesländern regeln Bildungsurlaubsgesetze einen Anspruch des Arbeitnehmers auf Sonderurlaub für die berufliche Weiterbildung. Die Freistellung erfolgt regelmäßig unter Fortzahlung des Arbeitsentgelts. Die einzelnen Voraussetzungen und die Dauer des dem Beschäftigten zustehenden Bildungsurlaubs sind in den einzelnen Ländern unterschiedlich geregelt.

Welche Möglichkeiten hat der Arbeitgeber, Regelungen über die Gewährung von Sonderurlaub aufzustellen?

Soweit dem Arbeitnehmer kein gesetzlich garantierter Anspruch auf Sonderurlaub zusteht, kann der Arbeitgeber im Arbeitsvertrag oder in einer Betriebsvereinbarung mit dem Betriebsrat Regelungen über den den Beschäftigten im Betrieb zustehenden Sonderurlaub treffen. Darin können insbesondere die einzelnen Umstände, die Voraussetzungen und die Dauer des Sonderurlaubs geregelt werden. Und der gesetzliche Anspruch auf bezahlte Freistellung wegen persönlicher Arbeitsverhinderung für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit ist abdingbar. In einer Betriebsvereinbarung kann der Anspruch des Arbeitnehmers ausgeschlossen, eingeschränkt oder erweitert werden.