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Kein elterliches Aufsichtsverschulden, wenn Rennradler wegen eines radelnden Kleinkindes stürzt

Familie & Vorsorge 23. Oktober 2018
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Monika Wisniewska / stock.adobe.com

Rennradler sind bekanntlich flott unterwegs, manchmal zu flott. Treffen sie auf radelnde Kleinkinder müssen sie abbremsen. Es gilt das Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme. Die Aufsichtspflicht der Eltern tritt hier in den Hintergrund.

Im Mai 2017 befuhr der ein Rennradfahrer mit einer Geschwindigkeit von mindestens 25 km/h eine wenig befahrene Straße, auf der üblicherweise auch Fußgänger unterwegs sind. Zum selben Zeitpunkt ging eine Personengruppe, unter anderem eine Mutter mit ihrer dreieinhalbjährigen Tochter, auf der Straße spazieren. Die Tochter befuhr die Straße dabei mit einem Lauflernrad, das sie seit etwa eineinhalb Jahren nutzt. Als sich der Radler der Gruppe näherte, klingelte er mehrfach. Die Gruppe bewegte sich daraufhin an den rechten Fahrbahnrand. Das Kind fuhr weiterhin mit seinem Rad in der Straßenmitte, weshalb die Mutter ihm zurief: „Zur Seite, sofort“. Daraufhin fuhr das Mädchen mit seinem Laufrad in Richtung des linken Fahrbahnrandes. Der Radler versuchte, links an dem Kleinkind vorbeizukommen, fuhr deswegen auf den Grünstreifen des linken Fahrbahnrandes und stürzte. Dabei zog er sich verschiedene Verletzungen zu, das Rennrad nahm ebenfalls Schaden.

Es kam zum Prozess, mit dem der Mann von der Mutter unter anderem Ersatz der Reparaturkosten für das Rennrad sowie ein Schmerzensgeld von mindestens 1.500 Euro einklagte. In der Begründung trug er vor, dass er bei der Anfahrt der Gruppe davon ausgegangen war, die Mutter werde das Kind zu sich nach rechts rufen. Deswegen habe er gefahrlos links an der Gruppe vorbeifahren wollen. Dass die Mutter das Kind nicht zu sich rufen und es daher an die linke Fahrbahnseite fahren werde, liege außerhalb jeder Lebenserfahrung.

Die Klage hatte keinen Erfolg. Die Mutter treffe schon kein Aufsichtsverschulden. Dass die Tochter auf der von Autos nur wenig genutzten und optisch eher einem gut ausgebauten Feldweg gleichenden mit ihrem Lauflernrad fahren durfte, war für das Gericht durchaus dem Alter und dem Können des Kindes angemessen. Zudem habe die Mutter durch ihren Zuruf kontrollierend auf ihre Tochter eingewirkt und sie dazu bewegt, dem sich nähernden Radler Platz zu machen. Dabei sei zu berücksichtigen, dass das Kind mit seinen drei Jahren noch nicht zwischen rechts und links unterscheiden konnte. Ein derartiger Zuruf hätte somit nichts gebracht.

Hinzu kam hier, das weit überwiegende Mitverschulden des Mannes. Im Straßenverkehr gelte das Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme. Komme es zu einem Zusammentreffen von Radfahrern und Fußgängern, müsse der Radfahrer insbesondere auch mit Unaufmerksamkeiten oder Schreckreaktionen der Fußgänger rechnen und seine Fahrweise entsprechend anpassen. Nochmals erhöht seien die Sorgfaltsanforderungen gegenüber Kindern oder sonstigen hilfsbedürftigen Menschen.

Der Mann habe sich somit grob verkehrswidrig verhalten. Trotz der für ihn von weitem erkennbaren Gefahrensituation habe er seine Geschwindigkeit lediglich von etwa 30 km/h auf 25 km/h reduziert. Deshalb sei er nicht mehr in der Lage gewesen, rechtzeitig zu bremsen.

LG Heidelberg, Urteil vom 21.6.2018, Az. 3 O 80/18