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Tarifverträge: Wann Arbeitnehmer Anspruch auf tarifliche Leistungen haben

Arbeitsvertrag & Einstellung 3. August 2017
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Wann Arbeitnehmer Anspruch auf tarifliche Leistungen haben

© jonasginter / adobe.stock..com

Tarifverträge werden in Deutschland zwischen Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden oder einzelnen Arbeitgebern geschlossen. Die Verträge regeln die wichtigsten Arbeits- und Einkommensbedingungen. Wir haben die wichtigsten Fragen geklärt.

Tarifverträge, vor allem solche, die für ganze Branchen und bestimmte regionale Bereiche gelten (z. B. für die metallverarbeitenden Industrie oder für den Einzelhandel), spielen in Deutschland eine große Rolle. Sie werden auf der Arbeitnehmerseite von den Gewerkschaften, auf der Arbeitgeberseite von Arbeitgeberverbänden oder einzelnen Arbeitgebern abgeschlossen. Enthalten sind Regelungen über

  • Arbeitsbedingungen wie die Löhne und Gehälter,
  • die Arbeitszeit,
  • die Dauer des Erholungsurlaubs,
  • Überstunden,
  • Kündigungsfristen oder Abfindungen bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses.

Wenn der Arbeitnehmer sein Arbeitsverhältnis einem Tarifvertrag unterstellt, kommt er in den Genuss der darin geregelten tariflichen Mindestarbeitsbedingungen.

Für wen gelten Tarifverträge?

Die Mindestarbeitsbedingungen eines Tarifvertrags gelten für die sogenannten Tarifgebundenen, also für die Mitglieder der den Tarifvertrag schließenden Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände bzw. einem einzelnen Arbeitgeber. In diesem Fall stehen dem Arbeitnehmer die tariflichen Leistungen automatisch zu, es ist also nicht erforderlich, dass im Arbeitsvertrag die Geltung des einschlägigen Tarifvertrags einbezogen ist.

 Der Arbeitgeberverband hat mit der Gewerkschaft in einem Tarifvertrag eine Lohnerhöhung vereinbart. Sind Arbeitgeber A und Arbeitnehmer B Mitglied im Arbeitgeberverband bzw. in der Gewerkschaft, erwirbt B automatisch einen Anspruch auf die Lohnerhöhung. Ist B zwar Mitglied in der Gewerkschaft, A aber nicht Mitglied im Arbeitgeberverband, steht B die automatische tarifliche Lohnerhöhung nicht zu.

Bei Regelungen im Tarifvertrag, die betriebliche Fragen betreffen (sogenannten Betriebsnormen), ist es ausreichend, dass der Arbeitgeber tarifgebunden, also Mitglied im Arbeitgeberverband ist. Auf die Tarifgebundenheit des Arbeitnehmers kommt es nicht an.

 Der Arbeitgeberverband hat mit der Gewerkschaft in einem Tarifvertrag die Lage der Arbeitszeit geregelt. Wenn Arbeitgeber A Mitglied im Arbeitgeberverband ist, gelten die tariflichen Regelungen auch dann automatisch für das Arbeitsverhältnis mit Arbeitnehmer B, wenn dieser nicht Mitglied in der Gewerkschaft ist.

Welche Folgen hat es, wenn ein Tarifvertrag für allgemeinverbindlich erklärt wurde?

Ein nicht in der Gewerkschaft organisierter Arbeitnehmer hat auch dann Anspruch auf tarifliche Leistungen, wenn ein einzelner Tarifvertrag vom Bundesminister für Arbeit und Soziales für allgemeinverbindlich erklärt worden ist (das sind rund 70.000 Tarifverträge). In diesem Fall gelten diese Tarifverträge für alle Arbeitnehmer und Arbeitgeber der betreffenden Branche, und zwar unabhängig davon, ob der Arbeitnehmer in der Gewerkschaft organisiert bzw. der Arbeitgeber Mitglied im Arbeitgeberverband ist.

Kann auch ein nicht tarifgebundener Arbeitnehmer tarifliche Leistungen beanspruchen?

Wenn der Arbeitnehmer nicht tarifgebunden und der Tarifvertrag nicht für allgemeinverbindlich erklärt worden ist, kann der Arbeitnehmer nur dann tarifliche Leistungen beanspruchen, wenn im Arbeitsvertrag auf den Tarifvertrag Bezug genommen wird, die Regelungen des Tarifvertrags also arbeitsvertraglich einbezogen werden. Die Bezugnahme kann sich entweder auf den Tarifvertrag insgesamt oder auf einzelne tarifliche Regelungen beziehen.

  • Im Arbeitsvertrag kann vereinbart werden, dass ein Tarifvertrag als Ganzes Gegenstand des Arbeitsvertrags werden soll (sogenannte Globalverweisung). In diesem Fall finden alle tariflichen Regelungen auch auf das nach dem Tarifvertragsgesetz nicht tarifgebundene Arbeitsverhältnis Anwendung.
  • Es kann auch vereinbart werden, dass nur bestimmte Regelungen eines Tarifvertrags (z. B. über die Vergütung) in den Arbeitsvertrag einbezogen werden.

Die Klausel im Arbeitsvertrag, durch die auf einen Tarifvertrag Bezug genommen wird, kann statisch oder dynamisch sein:

  • Bei der statischen Verweisung wird im Arbeitsvertrag auf den Tarifvertrag in der aktuell geltenden Fassung verwiesen. In diesem Fall wirken sich spätere Änderungen des Tarifvertrags nicht auf das Arbeitsverhältnis aus.
  • Bei der für den Arbeitnehmer besseren dynamischen Verweisung wird auf das jeweils geltende Tarifrecht verwiesen. In diesem Fall nimmt der Arbeitnehmer dann automatisch an einer günstigeren Tarifentwicklung teil.

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Kann der Arbeitsvertrag von den Mindestarbeitsbedingungen des Tarifvertrags abweichen?

Sind Arbeitgeber und Arbeitnehmer tarifgebunden oder wurde der Tarifvertrag für allgemein verbindlich erklärt, können die Parteien des Arbeitsvertrags nur dann von den tariflichen Regelungen abweichen, wenn

  • der Tarifvertrag durch sogenannte Öffnungsklauseln dies ausdrücklich gestattet oder
  • wenn die Abweichung für den betroffenen Arbeitnehmer günstiger als die tarifliche Regelung ist (z. B. wenn der tarifgebundene Arbeitgeber dem tarifgebundenen Arbeitgeber einen höheren Lohn als den Tariflohn zahlt).

Sind dagegen tarifliche Regelungen durch Bezugnahme im Arbeitsvertrag Inhalt des Arbeitsverhältnisses geworden, kann der Arbeitgeber jederzeit im Einvernehmen mit dem Arbeitnehmer vom Tarifvertrag abweichende Regelungen treffen oder sich einseitig durch eine Änderungskündigung vom Tarifvertrag zu befreien. Gegen die Änderungskündigung kann sich der Arbeitnehmer mit der Kündigungsschutzklage wehren.

Darf eine Betriebsvereinbarung vom Tarifvertrag abweichen?

Rechte und Pflichten aus einem Arbeitsverhältnis können auf betrieblicher Ebene auch in einer Betriebsvereinbarung zwischen dem Arbeitgeber und dem Betriebsrat geregelt werden. Diese betreffen etwa Arbeitszeitmodelle und Details zum Urlaub und zum Arbeitsschutz.

Die in einer Betriebsvereinbarung enthaltenen Regelungen gehen dem Tarifvertrag vor, wenn sie für den Arbeitnehmer günstiger sind. Enthält allerdings der Tarifvertrag abschließende tarifvertragliche Regelungen, sind diese gegenüber Regelungen in einer Betriebsvereinbarung vorrangig, und zwar selbst dann, wenn die Regelung in der Betriebsvereinbarung aus der Sicht des Arbeitnehmers günstiger als die tarifliche Regelung ist.