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Eigentumswohnung blind gekauft: Erwerber hat nachträgliches Besichtigungsrecht

Wohnungseigentum & Grundbesitz 26. April 2017
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Eigentumswohnung blind gekauft: Erwerber hat nachträgliches Besichtigungsrecht

© SolisImages / fotolia.com

Wer eine vermietete Eigentumswohnung kauft, darf und sollte sie besichtigen. Das gilt auch für eine Erstbesichtigung nach dem Kauf. Mieter haben dies zu dulden, selbst wenn im Mietvertrag etwas anderes steht. So das Amtsgericht München.

Ein Privatinvestor erwarb ohne vorherige Besichtigung eine Wohnung in München und wurde 2016 als Eigentümer im Grundbuch eingetragen. Die Wohnung war seit 1981 an den Beklagten vermietet. Im Mietvertrag fand sich folgende Regelung:

  1. "Der Vermieter oder ein von ihm Beauftragter oder beide können die Mieträume betreten, um die Notwendigkeit unaufschiebbarer Hausarbeiten festzustellen.
  2. Will der Vermieter das Grundstück verkaufen, so darf er oder ein von ihm Beauftragter nach Ankündigung die Mieträume zusammen mit den Kaufinteressenten an Wochentagen von 9 Uhr bis 12 Uhr und 16 Uhr bis 18 Uhr betreten.
  3. Ist das Mietverhältnis gekündigt, so darf der Vermieter oder ein von ihm Beauftragter die Räume mit den Mietinteressenten zu den gleichen Stunden betreten.
  4. Der Mieter muss dafür sorgen, dass die Räume auch in seiner Abwesenheit betreten werden können."

Kurz nach der Umschreibung kündigte der Käufer das Mietverhältnis wegen Eigenbedarfs. Da er die Wohnung bisher noch nie besichtigt hatte, teilte er dem Mieter schriftlich mit, dass er die Wohnung besichtigen und ausmessen will. Dazu schlug er drei verschiedene Termine vor.

Dem Mieter passte das gar nicht. Er war der Ansicht, dass sein neuer Vermieter entsprechend der vertraglichen Vereinbarung ein Besichtigungsrecht nur mit Mietinteressenten zustehen würde. Sein Informationsbedürfnis könne durch die Übersendung von einer Architektenskizze erfüllt werden. Zudem forderte der Mieter den Vermieter auf, 638 Euro an ihn zu zahlen. Er habe eine neue Spülmaschine angeschaffen müssen, nachdem die alte kaputt gegangen war. So wollte sich der Wohnungskäufer nicht abspeisen lassen.

Die Sache ging vor das Amtsgericht München, wo der Mieter verurteilt wurde, die Besichtigung durch seinen neuen Vermieter zu dulden. Die zuständige Richterin schrieb dem Mieter ins Stammbuch „… in seinem Bedürfnis auf erstmalige Information hinsichtlich des Aussehens, der Ausstattung sowie der genauen Größe der Wohnung ist ein berechtigtes Interesse zu sehen, das das Interesse des Mieters an fehlender Störung deutlich überwiegt“.

Die Regelung des Mietvertrags sei keine abschließende Regelung. Sie sei vielmehr so zu verstehen, dass in den dort aufgezählten Fällen auf jeden Fall Besichtigungsrecht besteht, aber nicht ausschließlich. Die Mieter dürfe die Besichtigung auch nicht von der Kostenübernahme für die Spülmaschine abhängig machen: „Gegenüber dem aus Art. 14 GG herrührenden Recht auf Duldung der erstmaligen Besichtigung einer Wohnung durch den neuen Eigentümer kann die fehlende Bezahlung von Geldansprüchen nicht geltend gemacht werden“.

(AG München, Urteil vom 12.8.2016, Az. 416 C 10784/16)