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Wohnungskündigung wegen wirtschaftlicher Verwertung: Nur nach sorgfältigster Interessenabwägung

Mieten & Wohnen 8. Oktober 2017
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Wohnungskündigung wegen wirtschaftlicher Verwertung: Nur nach sorgfältigster Interessenabwägung

© ArTo / adobe.stock.com

Vermieter, die durch die Kündigung einer vermieteten Wohnung wirtschaftlich nachvollziehbare Vorteile erzielen wollen, haben es schwer. Das Recht des Mieters auf Besitzschutz geht dem reinen Gewinnstreben des Vermieters vor. So der BGH.

Ein Mieterpaar bewohnte seit 2012 eine große und günstige 7-Zimmer-Wohnung. Den Mietvertrag hatten die Mieter noch mit der früheren Eigentümerin abgeschlossen. Die jetzige Vermieterin besitzt schon seit längerem das Nachbarhaus, in dem eine wirtschaftlich mit ihr verbundene Gesellschaft ein Modehaus betreibt. Nachdem sie das Haus nebenan erworben hatte, in dem sich auch die Mietwohnung befindet, kündigte sie den Mietern fristgerecht. Als Kündigungsgrund nannte sie den geplanten Abriss des gesamten Gebäudes, um dort einen Neubau zur Erweiterung des Modehauses zu errichten (sog. Verwertungskündigung). Zur weiteren Begründung erklärte die Vermieterin, sie wolle so aufgrund langfristiger Verpachtung einen deutlich höheren Ertrag erzielen. Vor dem Amts- und Landgericht war sie damit erfolgreich, vor dem Bundesgerichtshof nicht.

Hier wurde die Kündigung für unwirksam erklärt. Bei der Kündigung eines Wohnraummietverhältnisses durch den Vermieter müsse neben dessen Eigentumsrecht stets das Besitzrecht des Mieters angemessen berücksichtigt werden. Es ist daher eine Einzelfallabwägung der Vermieter- und Mieterinteressen erforderlich. Das sei aber in den Vorinstanzen nicht geschehen.

Die gesetzlichen Anforderungen an eine Verwertungskündigung sind laut BGH sehr hoch. Es reiche nicht aus, wenn der Vermieter sich darauf beschränke, die Wohnung wirtschaftlich verwerten zu wollen, auch wenn dies von angemessenen und vernünftigen sowie nachvollziehbaren Gründen getragen sei. Vielmehr müsse der Vermieter den zusätzlichen Nachweis erbringen, dass ihm bei Fortsetzung des Mietverhältnisses „erhebliche Nachteile“ entstehen. Dabei müsse kein Existenzverlust drohen. Aber die beim Mieter eintretenden Nachteile müssten gegen Nachteile auf der Vermieterseite abgewogen werden. Dabei stünde dem Vermieter kein Anspruch auf uneingeschränkte Gewinnoptimierung oder die bestmögliche wirtschaftliche Verwertung seiner Immobilie zu. Hierzu fehlte es den Karlsruher Richter an entsprechendem Sachvortrag seitens der Vermieterin, aus dem sich der geplante Anbau zwingend ergibt.

Zudem seien nach dem Wortlaut des Gesetzes – anders als bei der Eigenbedarfskündigung – nur persönliche Nachteile beim Vermieter selbst zu berücksichtigen. Das Modehaus, auf dessen wirtschaftliche Schlechterstellung die Kündigung gestützt worden war, wird jedoch von einer mit der Vermieterin nicht identischen Gesellschaft geführt.

Schließlich wies das Gericht darauf hin, dass bei der Beurteilung der Kündigung nur sich bereits aus dem Kündigungsschreiben ergebende Gründe berücksichtigt werden können. Nachgeschobene Gründe seien unbeachtlich. Die Möglichkeit, durch eine anderweitige Vermietung als Wohnraum eine höhere Miete zu erzielen, sei jedenfalls schon von Gesetzes wegen nicht geeignet, eine Kündigung zu rechtfertigen. Der Vermieter muss neben einer angemessenen Verwertung auch anderenfalls drohende erhebliche Nachteile vortragen, beweisen und schon im Kündigungsschreiben nennen. Nachteile für Dritte reichen in der Regel dabei nicht aus.

Abschließend muss dies alles muss mit den beim Mieter durch die Kündigung eintretenden Nachteil abgewogen werden, was nur durch eine Einzelfallentscheidung geschehen kann. Die Sache wurde deshalb an das Landgericht zur Neuentscheidung zurückverwiesen.

(BGH, Urteil vom 27.9.2017, Az. VIII ZR 243/16)

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