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Eigenbedarfskündigung: Unzumutbare Härte auf Seiten des Mieters muss sorgfältig geprüft werden

Mieten & Wohnen 19. Dezember 2019
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MQ-Illustrations / stock.adobe.com

Auch wenn eine Eigenbedarfskündigung rechtlich wirksam ist, macht ein Mieter eine unzumutbare Härte zum Beispiel aus gesundheitlichen Gründen geltend, muss dies ernst genommen und mittels Sachverständigengutachten überprüft werden.

Ein Mieterehepaar bewohnte seit 1997 eine Dreieinhalbzimmerwohnung im Erdgeschoss eines Mehrfamilienhauses. Die Wohnung wurde ihnen wegen Eigenbedarfs gekündigt. Der Sohn des inzwischen verstorbenen Vermieters benötigte die Räume für seine vierköpfige Familie, da er bislang eine im Obergeschoss liegende Wohnung bewohnt hatte. Diese wollte der Sohn nun mit der vermieteten Wohnung zusammenlegen, um durch den Platzgewinn seine bislang beengten Wohnverhältnisse für seine Familie zu beseitigen.

Die Mieter widersprachen der Kündigung. Unter anderem berief sich das Ehepaar auf eine unzumutbare persönliche Härte. Der 1930 geborene Ehemann leide nicht nur unter zahlreichen gesundheitlichen Einschränkungen, er leide auch unter einer beginnenden Demenz. Es sei zu befürchten, dass diese sich verschlimmert, wenn er aus seiner gewohnten Umgebung gerissen würde. Bei einem Verlust der bisherigen Wohnung sei ein Umzug in ein Altenpflegeheim für ihn unausweichlich. Die noch rüstige Ehefrau wollte sich aber auf keinen Fall von ihrem Mann trennen, ebensowenig wollte sie selbst in ein Altenpflegeheim umziehen.

Es kam zur Räumungsklage, die zunächst im Sinne der Vermieter ausging.  Vor dem Bundesgerichtshof sah das schon ganz anders aus. Im Ergebnis muss das Berufungsgericht sich der Sache noch einmal annehmen und sorgfältigst prüfen, ob hier ein Härtefall vorliegt, der den an sich berechtigten Interessen des Vermieters an der Wohnung vorgeht. Dazu machten die Karlsruher Richter ein paar Vorgaben. So kann sich der Mieter hier erfolgreich auf einen Härtefall berufen, wenn sich die Konsequenzen, die für ihn mit einem Umzug verbunden sind, deutlich von den mit einem Wohnungswechsel üblicherweise verbundenen Unannehmlichkeiten abheben.

Das hatte das Gericht der Vorinstanz nicht hinreichend überprüft. Es hatte sich darauf beschränkt, die Argumente des Ehepaares als wahr zu unterstellen, aber in seiner Entscheidung die genannten Gründe gegenüber den Interessen der Vermieterseite als nachrangig bewertet. Damit hatte es das Berufungsgericht nach Ansicht des BGH versäumt, sich ausreichend mit der existenziellen Bedeutung des Verbleibs in der bisherigen Wohnung in der gebotenen Weise auseinanderzusetzen.

Gerade bei drohenden schwerwiegenden Gesundheitsbeeinträchtigungen oder Lebensgefahr sind die Gerichte verfassungsrechtlich gehalten, Beweisangeboten besonders sorgfältig nachzugehen sowie den daraus resultierenden Gefahren bei der Abwägung der widerstreitenden Interessen hinreichend Rechnung zu tragen. Beruft sich ein Mieter wie hier auf derart schwerwiegende gesundheitliche Auswirkungen eines erzwungenen Umzugs in eine andere Wohnung, sind die Gerichte somit verpflichtet, sich mittels Sachverständigengutachten kundig zu machen. Dabei geht es darum, sich ein genaues Bild davon zu verschaffen, welche gesundheitlichen Folgen im Einzelnen für den Mieter mit einem Umzug verbunden sind, insbesondere welchen Schweregrad zu erwartende Gesundheitsbeeinträchtigungen erreichen können und mit welcher Wahrscheinlichkeit dies eintreten kann. Erst dann kann ein Gericht die Konsequenzen  eines Umzugs für den Mieter beurteilen und anschließend die notwendige Interessenabwägung sachgerecht durchführen.

(BGH, Urteil vom 17. 3.2017, Az. VIII ZR 270/15)