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Adoption: Auskunftsanspruch eines Kindes gegen seine leibliche Mutter über die Identität des leiblichen Vaters

Familie & Vorsorge 11. Januar 2023
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Gajus / stock.adobe.com

Aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht folgt die verfassungsrechtliche Verpflichtung des Staates, den Einzelnen vor der Vorenthaltung verfügbarer Informationen über die eigene Abstammung zu schützen.

Die im Jahr 1984 geborene Tochter verlangte von ihrer leiblichen Mutter Auskunft über ihren leiblichen Vater. Bei der Geburt war die Kindesmutter gerade 16 Jahre alt geworden. Kurz nach der Geburt wurde die Tochter von einem Ehepaar adoptiert. Ein im Jahr 1985 durchgeführtes Vaterschaftsfeststellungsverfahren blieb erfolglos, es kamen mehrere Erzeuger in Betracht, die leibliche Mutter meinte, sie könne sich nicht an diese erinnern.

Ende 2003 kam es zu einem Treffen zwischen der Tochter und der leiblichen Mutter. Nachdem die Tochter die leibliche Mutter im März 2018 erfolglos aufgefordert hatte, Namen und Anschrift des leiblichen Vaters zu benennen, hat sie nun im gerichtlichen Verfahren diese Auskunft verlangt. Das Amtsgericht Stuttgart hat den Antrag zurückgewiesen, weil der leiblichen Mutter die Auskunftserteilung unmöglich sei. Auf die Beschwerde der Tochter hat das Oberlandesgericht Stuttgart diese Entscheidung abgeändert und die Kindesmutter verpflichtet, ihrer Tochter alle Männer mit vollständigem Namen und Adresse zu benennen, die der leiblichen Mutter in der gesetzlichen Empfängniszeit beigewohnt haben.

Der Bundesgerichtshof hat die Entscheidung des OLG Stuttgart bestätigt. Eine leibliche Mutter ist auch nach einer Adoption ihrem Kind grundsätzlich zur Auskunft über die Identität des leiblichen Vaters verpflichtet. Anspruchsgrundlage für die begehrte Auskunft ist § 1618a BGB, hiernach sind Eltern und Kinder einander Beistand und Rücksicht schuldig. Aus dieser Vorschrift können für Eltern und Kinder wechselseitige Rechtsansprüche erwachsen.

Aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht folgt die verfassungsrechtliche Verpflichtung des Staates, der Schutzbedürftigkeit des Einzelnen vor der Vorenthaltung verfügbarer Informationen über die eigene Abstammung bei der Ausgestaltung der Rechtsbeziehungen zwischen den Betroffenen angemessen Rechnung zu tragen. Mit diesem Auskunftsanspruch wird eine Rechtsposition von ganz erheblicher verfassungsrechtlicher Bedeutung, nämlich das Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung, gestärkt. Dass die leibliche Mutter aufgrund der Adoption der Tochter nicht mehr die rechtliche Mutter ist, steht dem Anspruch nicht entgegen. Denn das Auskunftsschuldverhältnis zwischen Kind und Mutter ist vor der Adoption entstanden.

Mit der bloßen Mitteilung, die leibliche Mutter könne sich an keinen möglichen Erzeuger erinnern, hat diese den Auskunftsanspruch nicht erfüllt. Sie hat auch nicht dargelegt, dass ihr eine Erfüllung unmöglich ist. Das OLG hatte eine Reihe von möglichen Kontaktpersonen aufgelistet, an die sich die leibliche Mutter wenden kann, um Hinweise zu potenziellen leiblichen Vätern zu erhalten. Diesen Nachfragemöglichkeiten fehlt es weder an der Erfolgsaussicht noch sind sie unzumutbar.

BGH, Beschluss vom 19.1.2022, XII ZB 183/21