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Was gilt für den Nachweis des Zugangs einer E-Mail?

Behörden & Gericht 13. Mai 2022
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Song_about_summer / stock.adobe.com

Den Absender einer E-Mail trifft die volle Beweislast dafür, dass die E-Mail dem Empfänger zugegangen ist. Ihm kommt keine Beweiserleichterung zu Gute, wenn er nach dem Versenden keine Meldung über die Unzustellbarkeit der E-Mail erhält.

Einem Beschäftigten war von seinem Arbeitgeber zur Finanzierung einer Fortbildung ein Darlehen in Höhe von € 60.000,– gewährt worden. Im Darlehensvertrag war vereinbart, dass auf die Rückzahlung verzichtet wird, wenn der Chef dem Arbeitnehmer nicht innerhalb von fünf Jahren nach Beendigung der Fortbildung die Übernahme in ein Arbeitsverhältnis anbietet.

Ein solches Beschäftigungsangebot wurde dem Mitarbeiter einen Tag vor Fristablauf unterbreitet. Der Arbeitgeber stellte es ihm sowohl per Post als auch per E-Mail zu. Der Mann nahm das Angebot zwar an. Doch als der Arbeitgeber zur Tilgung des Darlehens jeden Monat € 500,– von seinem Gehalt einbehielt, klagte er.

Er machte geltend, der Rückzahlungsanspruch sei verfallen. Denn das Angebot seines Arbeitgebers per Post habe ihn erst zwei Tage nach Ablauf der vereinbarten Frist erreicht; die E-Mail sei sogar erst drei Tage nach Fristablauf bei ihm eingegangen.

Dem widersprach der Arbeitgeber. Er behauptete, die fragliche E-Mail mit dem Beschäftigungsangebot sei einen Tag vor Fristablauf verschickt worden. Das ergebe sich aus dem Protokoll des Postausgangs-Kontos. Es sei keine Meldung der Unzustellbarkeit zurückgekommen. Deshalb spreche der sogenannte »Beweis des ersten Anscheins« dafür, dass den Angestellten das Angebot fristgerecht erreicht habe.

Das Landesarbeitsgericht entschied zur Beweis- und Zugangsfrage jedoch wie folgt: Der Zugang einer E-Mail ist vom Versender darzulegen und zu beweisen. Das Versenden einer E-Mail allein begründet keinen Anscheinsbeweis für den Zugang beim Empfänger. Denn ob nach dem Versenden einer E-Mail die Nachricht auf dem Empfängerserver eingeht, ist nicht gewiss. Wie auch bei einfacher Post ist es technisch möglich, dass die Nachricht nicht ankommt. Dieses Risiko kann nicht dem Empfänger auferlegt werden.

Wählt der Versender also diese Art der Übermittlung einer Willenserklärung (z.B. per E-Mail), trägt er das Risiko, dass die Nachricht nicht ankommt.

Um sicherzustellen, dass eine E-Mail den Adressaten erreicht hat, muss der Versender über die Optionsverwaltung eines E-Mail-Programms die Möglichkeit nutzen, eine Lesebestätigung anzufordern.

LAG Köln, Urteil vom 11.1.2022, 4 Sa 315/21