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Wann ist der Widerruf eines Arbeitszeugnisses möglich?

Arbeitnehmer & Auszubildende 17. April 2018
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Wann ist der Widerruf eines Arbeitszeugnisses möglich?

© Elnur / stock.adobe.com

Arbeitszeugnisse sollen künftige Arbeitgeber zuverlässig über einen Bewerber informieren. Deshalb darf ein Zeugnis widerrufen werden, wenn sich nachträglich Tatsachen ändern oder wenn der Arbeitnehmer das Zeugnis auf unredliche Art erlangt.

Ein Hochbauingenieur war von Juli 2014 bis Oktober 2016 bei einer Stadt befristet beschäftigt. In einem Vermerk sprach sich die zuständige Bereichsleiterin bereits Mitte 2015 gegen seine Weiterbeschäftigung aus. Sie war mit den erbrachten Leistungen nicht zufrieden.

Mitte Juni 2016 bat der Mitarbeiter beim zuständigen Fachdienst auf dem üblichen Dienstweg um ein Zwischenzeugnis. Dieses wurde ihm nach Rücksprache mit der Vorgesetzten ausgestellt und von der Bürgermeisterin unterzeichnet. Da Zeugnis bescheinigte eine durchschnittliche Arbeitsleistung.

Ende Oktober 2016 wandte sich der Mitarbeiter mit einem neuen, von ihm selbst entworfenen, sehr guten Zwischenzeugnis an den stellvertretenden Bürgermeister. Die Bürgermeisterin war urlaubsbedingt nicht vor Ort. Nach neuerlicher Rücksprache mit dem Vorgesetzten, unterschrieb der stellvertretende Bürgermeister das Zeugnis und händigte es dem Mann aus.

Als der Mitarbeiter wenig später darauf angesprochen wurde, warum er das Zeugnis nicht über den normalen Dienstweg beantragt habe, verwies er auf die Dringlichkeit einer beabsichtigten Bewerbung.

Anfang November widerrief die Stadt das zweite Zeugnis und verlangte die Rückgabe des Schreibens.

Das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein stellte fest, ein Arbeitszeugnis darf widerrufen werden, wenn sich nachträglich relevante Tatsachen ändern oder wenn der Arbeitnehmer es in unredlicher Form erlangt hat.

Eine nachträgliche Tatsachenänderung liegt nicht vor, da hier alle Umstände bekannt waren, die eine aus Sicht der Arbeitgeberin schlechtere Beurteilung gerechtfertigt hätte. Die Stadt muss sich das Handeln aller am Zeugnisverfahren beteiligten Personen anrechnen lassen.

Doch der Arbeitnehmer hat gegen Treu und Glauben verstoßen, als er sich das wohlwollende zweite Zeugnis vom Oktober 2016 am »offiziellen Dienstweg vorbei« hat ausstellen lassen. Er hat unredlich gehandelt. Eine Eilbedürftigkeit, wie von ihm vorgetragen, lag nicht vor.

Die Stadt darf deshalb das Zeugnis widerrufen. Sie hat ein berechtigtes Interesse daran, denn Arbeitszeugnisse müssen wahr sein. Hier erschlich sich der Arbeitnehmer eine bessere Bewertung als ihm zustand. Damit drohen dem ehemaligen Arbeitgeber Regressansprüche, sollte ein künftiger Arbeitgeber seine Einstellungsentscheidung auf die falsche Beurteilung gründen.

LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 17.10.2017, 1 Sa 228/17

Lesen Sie hierzu auch unseren Rechtstipp: Streitpunkt Arbeitszeugnis: Form, Inhalt, Sprache