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Scheinbewerbungen: Ist »AGG-Hopping« strafbar?

Arbeitnehmer & Auszubildende 27. März 2023
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gopixa / stock.adobe.com

Es kann sich um einen strafbaren Betrug handeln, wenn jemand eine Bewerbung auf diskriminierende Stellenangebote nur vorspiegelt (sog. „AGG-Hopper“), um einen Entschädigungsanspruch zu erlangen.

Im Zeitraum zwischen Juli 2011 und März 2012 bewarb sich ein 42-jähriger Mann auf zwölf Stellenangebote, die aus seiner Sicht eine Diskriminierung enthielten (z.B. aufgrund des Alters oder weil sich die Anzeigen nur an Berufseinsteiger wandten). Ihm wurde vorgeworfen, die Bewerbungen nur zum Schein eingereicht zu haben, um Entschädigungsansprüche geltend machen zu können (sog. »AGG-Hopping«).

Nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) können abgelehnte Stellenbewerber eine Entschädigung in Höhe von bis zu drei Monatsgehältern verlangen, wenn sie wegen ihres Geschlechts, ihres Alters, ihrer Behinderung, ihrer Religion, ihrer Rasse oder ethnischen Herkunft oder wegen ihrer sexuellen Identität diskriminiert werden.

Mit der Absage forderte der Mann außergerichtlich eine Entschädigung. Keines der Unternehmen kam dieser Aufforderung nach, sodass erst im arbeitsgerichtlichen Vergleich teilweise Entschädigungszahlungen zugesprochen wurden.

Der Bundesgerichtshof stellte klar: Allein das Versenden der außergerichtlichen Aufforderungsschreiben stellt noch keine Täuschungshandlung dar. Eine Täuschung des Arbeitgebers kann nur angenommen werden, wenn falsche Tatsachenbehauptungen bei der Bewerbung aufgestellt werden (z.B. über die Ernsthaftigkeit der Bewerbung). Wird in dem Schreiben gar nicht auf die Motivation der Bewerbung eingegangen, kann auch keine falsche Tatsachenbehauptung über die Ernsthaftigkeit der Bewerbung aufgestellt werden. Die Arbeitgeberseite muss irrtümlich von einer ernsthaften Bewerbung ausgegangen sein und darin getäuscht werden.

Weiter gilt: Ein Angeklagter kann sich wegen Betrugs im Prozess strafbar machen, wenn es aufgrund einer Täuschung zu einer irrtumsbedingten Vermögensverfügung kommt. Vorausgesetzt, der Bewerber hat damit gerechnet, dass durch sein Vorbringen im Prozess die auf Beklagtenseite auftretenden Personen getäuscht und diese irrtumsbedingt zu einer selbstschädigenden Vermögensverfügung veranlasst werden.

Hier ist mit Blick auf das Merkmal der erforderlichen »Täuschung« über die fehlende Ernsthaftigkeit der Bewerbung zu unterscheiden:

  • Strafbarkeit bei Einwand der Scheinbewerbung: Erhebt die Arbeitgeberseite im Prozess den Einwand, der Angeklagte habe sich nur zum Schein beworben, um eine Entschädigung verlangen zu können, liege eine Täuschung des (Schein-)Bewerbers durch eine ausdrückliche Erklärung vor, wenn er dieses Vorbringen ausdrücklich bestreitet und sich nicht nur auf die Beweislastregeln zurückgezogen hat.

Gleiches gilt, wenn er im Prozess schriftsätzlich vortragen lässt, er habe sich subjektiv ernsthaft beworben.

  • Strafbarkeit bei fehlendem Einwand der Scheinbewerbung: Wird der Einwand der Scheinbewerbung von der Arbeitgeberseite nicht erhoben und hat sich der (Schein-)Bewerber allein auf die gerichtliche Geltendmachung des Entschädigungsanspruchs beschränkt, richtet sich die Frage der Täuschung über die fehlende Ernsthaftigkeit seiner Bewerbung danach, ob er gegen die Vollständigkeits- und Wahrheitspflicht verstoßen hat (§ 138 Abs. 1 ZPO). Ist das der Fall, ist bereits die gerichtliche Geltendmachung der unberechtigten Forderung als »stillschweigende Täuschung« zu qualifizieren.

BGH, Beschluss vom 4.5.2022, 1 StR 3/21