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Krank nach Eigenkündigung: Das gilt für den Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung

Arbeitnehmer & Auszubildende 23. Februar 2022
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Stockfotos-MG / stock.adobe.com

Meldet sich ein Arbeitnehmer unmittelbar nach einer Eigenkündigung krank und dauert die Erkrankung laut Attest genau bis zum Ablauf der Kündigungsfrist an, kann dies den Beweiswert einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erschüttern.

Eine Arbeitnehmerin kündigte ihr Arbeitsverhältnis am 8.2.2019 mit Wirkung zum 22.2.2019. Noch am gleichen Tag meldete sie sich arbeitsunfähig krank. Sie legte ihrem Arbeitgeber eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU) vor. Danach war die Arbeitnehmerin exakt bis zum letzten Tag des Arbeitsverhältnisses arbeitsunfähig krankgeschrieben.

Der Arbeitgeber verweigerte die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Er bezweifelte, dass die Arbeitnehmerin tatsächlich krank war. Die Frau klagte daraufhin die Entgeltfortzahlung für den Zeitraum vom 8. bis 22.2.2019 ein.

Das Bundesarbeitsgericht verneinte einen Zahlungsanspruch. Der Umstand, dass die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung genau den Zeitraum der Kündigungsfrist umfasste, begründet Zweifel am tatsächlichen Bestehen der Arbeitsunfähigkeit.

Zur Begründung führte das BAG aus: Eine AU hat grundsätzlich einen hohen Beweiswert. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass im ärztlich bestätigten Zeitraum tatsächlich eine krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit besteht.

Anerkannte Ausnahme: Es bestehen aufgrund bestimmter Umstände erhebliche Zweifel, ob der Mitarbeiter tatsächlich krank ist (z.B. ist ein Mitarbeiter immer montags krank, oder stets vor oder nach einem Urlaub).

Erweiterung des Ausnahmekataloges: Das Bundesarbeitsgericht hat nun entschieden, dass der Beweiswert einer AU-Bescheinigung auch dadurch erschüttert werden kann, dass sich ein Arbeitnehmer unmittelbar nachdem er das Arbeitsverhältnis gekündigt hat, krankmeldet, und die Krankheit laut Attest exakt am letzten Arbeitstag endet.

Folge: Hat das Arbeitsgericht Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit bedeutet dies aber noch nicht, dass der Arbeitnehmer kein Geld bekommt.

Konkret: Den Arbeitnehmer trifft in diesem Fall eine gesteigerte Darlegungs- und Beweislast. Es reicht nicht aus, wenn er zum Beweis, dass er krank ist, nur die AU vorlegt. Um diese Zweifel zu beseitigen, muss der Arbeitnehmer den behandelnden Arzt von der Schweigepflicht entbindet und ihn als Zeugen im arbeitsgerichtlichen Verfahren benennen. Kann der Arzt das Gericht überzeugen, dass tatsächlich eine Krankheit vorlag, erhält der Mitarbeiter Entgeltfortzahlung Da in diesem Fall die Arbeitnehmerin dem entsprechenden gerichtlichen Hinweis nicht nachkam, war die Klage abzuweisen.

BAG, Urteil vom 8.9.2021, 5 AZR 149/21