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Testamentsauslegung: Unwirksame Besuchspflicht für Enkel macht Erbeinsetzung nicht unwirksam

Erben & Schenken 23. April 2019
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Photographee.eu / stock.adobe.com

Will ein Erblasser seine Enkel per Testament zu regelmäßigen Besuchen zwingen, indem er deren Erbeinsetzung davon abhängig macht, wie oft sie kommen, ist das sittenwidrig und somit nichtig. Die Erbeinsetzung als solche bleibt bestehen.

Ein Großvater hatte in einem handschriftlichen Testament seine Ehefrau sowie einen Sohn aus erster Ehe zu jeweils 25 % als Erben eingesetzt. Die weiteren 50 % des Nachlasses sollten die beiden Enkel - Kinder eines anderen Sohnes - zu gleichen Teilen bekommen. Vorausgesetzt, sie würden ihn regelmäßig, das heißt mindestens sechsmal im Jahr besuchen. Andernfalls sollte die zweite Hälfte des Nachlasses zwischen seiner Frau und seinem schon bedachten Sohn aufgeteilt werden. Obwohl den Familienangehörigen diese Regelung zu Lebzeiten des Erblassers bekannt war, erfüllten die damals minderjährigen Enkel die jährliche Besuchszahl nicht.

Die Ehefrau des Erblassers sowie der Sohn beantragten daraufhin einen Erbschein, der sie als alleinige hälftige Miterben ausweisen sollte. Das Nachlassgericht hatte diesem Antrag entsprochen. Die Enkelkinder wehrten sich dagegen. Mit Erfolg. Das Oberlandesgericht Frankfurt stellte hierzu fest, dass zwar Testierfreiheit besteht, also ein Erblasser die Erbfolge nach seinen eigenen Vorstellungen dürfe. Die Grenze zu Sittenwidrigkeit sei aber hier überschritten. Grundsätzlich sei zwar nichts gegen den Wunsch einzuwenden, seine Enkelkinder in regelmäßigen Abständen zu sehen. In der hier gewählten Form habe der Großvater jedoch seine Enkelkinder - unter Zwischenschaltung der Eltern - dem Druck ausgesetzt, zur Erlangung eines Vermögensvorteils zwingend die im Testament genannten Besuchsbedingungen zu einzuhalten.

Eine derartige Einflussnahme des Erblassers auf die Entschließungsfreiheit seiner Enkel sei trotz grundrechtlich geschützter Testierfreiheit sittenwidrig und somit nichtig. Die Nichtigkeit der Besuchsbedingung bewirke aber keine Nichtigkeit der Erbeinsetzung. Denn hätte der Großvater gewusst, dass die Besuchsbedingung nichtig ist, hätte seine beiden Enkelkinder dennoch als Miterben eingesetzt. Dafür spreche gerade die von ihm gewünschte enge Bindung zu den Enkeln.

OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 2.2.2019, 20 W 98/18