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Pflichtteilsberechnung: Objektive Wertermittlung des Nachlasses auch nach Verkauf des Erbes möglich

Erben & Schenken 8. April 2022
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M. Schuppich / stock.adobe.com

Pflichtteilsberechtigte haben gegen den Erben einen Auskunftsanspruch zur Ermittlung des Nachlasswertes. Das setzt eine objektive Bewertung voraus. Der Verkaufspreis einer im Nachlass befindlichen Immobilie kann ein Maßstab sein.

Eine enterbte Tochter hatte gegen den Erben ihres Vaters eine Stufenklage erhoben, um so den Wert ihres Pflichtteils ermitteln zu können. Das Erbe bestand ursprünglich aus einer Immobilie der schon 2014 verstorbenen Mutter, deren Eigentümer der Vater zusammen mit drei weiteren Erben war.

Nach dem Tod des Vaters 2017 verkauften sein Erbe und die drei Miterben die Immobilie für € 65.000,–. Die Tochter bezweifelte, dass dies dem Wert entsprach. Schließlich sei bei einer erfolglosen Teilungsversteigerung im Jahr zuvor ein Wert von € 245.000,– ermittelt worden. Eine Bank hatte zudem allein für den verklagten Erben einen Wertanteil von € 58.000,– geschätzt. Und ein von der Tochter in Auftrag gegebenes Gutachten kam zu einer Spanne von € 120.000,– bis € 175.000,–. Der Erbe zahlte ihr € 33.400,– auf den Pflichtteil.

Das war der Tochter noch zu wenig. Die Sache ging bis zum Bundesgerichtshof. Hier stellte man fest, dass die Tochter grundsätzlich recht hatte. Denn gerade bei stark abweichenden Bewertungen müsse der Pflichtteilsberechtigte einschätzen können, ob sich ein Streit lohne. Auch bei einem schon veräußerten Erbstück müsse deshalb die objektive Wertermittlung möglich bleiben.

Insoweit sei zwar in der Regel bei Berechnung des Anspruchs bei nach dem Erbfall verkauften Gegenständen der Verkaufspreis maßgeblich. Jedoch könne der Pflichtteilsberechtigte den Beweis führen, dass der Preis dem Wert nicht entspreche, wofür die Wertermittlung auf der ersten Stufe einen Anhaltspunkt biete.

BGH, Urteil vom 29.9.2021, IV ZR 328/20