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Reduzierung der Stimmanteile wegen »Geisterwohnungen«

Wohnungseigentum & Grundbesitz 26. August 2019
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Patrick Altrogge / stock.adobe.com

Wohnungseigentümer können verlangen, dass die Stimmkraft des Bauträgers herabgesetzt wird, wenn dieser lediglich Eigentümer von geplanten Wohnungen ist, die er jahrelang nicht fertiggestellt hat.

Eine Bauträgerin hatte das in ihrem Eigentum stehende Grundstück bereits 1994 in Wohnungs- und Teileigentum aufgeteilt. Gemäß Teilungserklärung sollten auf dem Grundstück vier Häuser errichtet werden. Gebaut wurden allerdings nur zwei Häuser mit insgesamt 122 Wohnungen. Die Bauträgerin ist Eigentümerin der 120 Wohnungen in den beiden bisher nicht gebauten Häusern. Kosten und Stimmrecht verteilen sich nach der Teilungserklärung anhand der Wohnfläche. Da die noch nicht errichteten Wohnungen einen Wohnflächenanteil von 48 % zu verzeichnen haben, steht der Bauträgerin ein entsprechender Stimmanteil zu. Dagegen wenden sich die übrigen Eigentümer der existierenden Wohnungen. Sie verlangen, dass sich die Stimmkraft für noch nicht bezugsfertige Wohnungen nach dem betreffenden Miteigentumsanteil statt der Wohnfläche richten solle.

Der Bundesgerichtshof gab den Eigentümern Recht. Wie schon in den vorherigen Instanzen, entschieden die Richter, der Stimmrechtsanteil für die noch nicht bezugsfertigen Wohnungen ist nach dem Miteigentumsanteil zu berechnen. Somit reduziert sich der Stimmanteil der Bauträgerin bis zur Errichtung der Wohnungen auf 36 %.

Nach dem Gesetz haben die Eigentümer einen Anspruch auf eine derartige Änderung der Teilungserklärung (vgl. § 10 Abs. 2 Satz 3 WEG). Berücksichtigt man die Rechte und Interessen der anderen Wohnungseigentümer, erscheint es unbillig, wenn die Bauträgerin fast die Hälfte aller Stimmen auf sich vereint, ohne Eigentümerin auch nur einer tatsächlich vorhandenen Wohnung zu sein. Denn die Häuser Nr. 3 und 4 warten seit mehr als 20 Jahren auf ihre Fertigstellung.

Es ist davon auszugehen, dass die Bauträgerin faktisch eine Mehrheit hat. So gut wie nie werden sämtliche 120 Mitglieder anwesend bzw. durch Bevollmächtigte vertreten sein. Damit verlieren die übrigen Wohnungseigentümer in so wichtigen Angelegenheiten wie der Verwalterbestellung oder der Beschlussfassung über den Wirtschaftsplan und die Jahresabrechnung jeglichen Einfluss zugunsten einer Eigentümerin mit faktischer Mehrheitsmacht, die gar keine Wohnung besitzt und daher von der Verwaltung des Gemeinschaftseigentums auch nur am Rande betroffen ist.  

BGH, Urteil vom 18.1.2019, V ZR 72/18