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Welche Neuerungen bringt die Europäische Erbrechtsverordnung?

Erben & Schenken 15. August 2015
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© djedzura / fotolia.com

Erbfälle mit Auslandsberührung sind längst keine Seltenheit mehr. Viele deutsche Staatsangehörige gehen irrtümlich davon aus, dass ihr Vermögen immer nach deutschem Recht vererbt wird. Das muss aber nicht zwangsläufig der Fall sein.

Für Erbfälle seit dem 17.8.2015 gilt neues internationales Erbrecht

Deutsches Erbrecht gilt nur dann uneingeschränkt, wenn der Erblasser die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt, seinen Wohnsitz in Deutschland hat, sich sein gesamtes Vermögen in Deutschland befindet und er in Deutschland stirbt. Ist nur eine dieser Bedingungen nicht erfüllt, kann ein Erbfall mit Auslandsbezug vorliegen, der für die Erben unangenehme Überraschungen bringen kann.

Einheitliche Regelung durch EU-Erbrechtsverordnung

Am 16.8.2012 ist die Europäische Verordnung in Kraft getreten. Sie enthält einheitliche Regelungen darüber, welches Erbrecht auf einen internationalen Erbfall anzuwenden ist. Die Verordnung kommt in allen EU-Staaten außer Dänemark, Irland und Großbritannien zur Anwendung und gilt auch im Verhältnis zu Staatsangehörigen und Ansässigen außerhalb der teilnehmenden Staaten. Die Verordnung enthält einheitliche Regelungen darüber, welches Erbrecht auf einen internationalen Erbfall anzuwenden ist.

Achtung: Die Verordnung ändert nicht das Erbrecht der EU-Mitgliedstaaten, sondern legt lediglich fest, welchem nationalen Erbrecht (z. B. deutschem oder französischem) der Erbfall unterliegt.

Die Europäische Erbrechtsverordnung ist zwar bereits am 16.8.2012 in Kraft getreten, sie kommt allerdings erst für Erbfälle ab dem 17.8.2015 zur Anwendung. Für Erbfälle vor diesem Stichtag gilt das jeweilige Recht des Mitgliedstaates für internationale Erbfälle.

Beispiel: Ein Deutscher verfasst ein Testament nach den Vorschriften des deutschen Rechts und lebt aber auf Mallorca, wo er dann auch verstirbt. Er wird nur dann nach deutschem Recht beerbt, wenn er eine Rechtswahlklausel im Testament ergänzt hat. Fehlt seine Rechtswahlklausel, kommt seit dem 17.8.2015 dann das spanische Erbrecht zur Anwendung.

Bei neu verfassten Testamenten sollten Sie darauf achten, dass Sie eine Rechtswahlklausel beinhalten. Alle Testamente von Smartlaw enthalten eine solche Klausel. Diese kann aber auch nachträglich für ein bereits verfasstes Testament ergänzt werden.

Möchten Sie kein Testament errichten, sondern nur sicherstellen, dass Sie nach deutschem Erbrecht beerbt werden, dann können Sie auch eine eigenständige Rechtswahlklausel erstellen.

Für welche erbrechtliche Fragen gilt das neue internationale Erbrecht?

Die Europäische Erbrechtsverordnung betrifft die gesamte Rechtsnachfolge von Todes wegen, also alle privatrechtlichen Aspekte des Übergangs von Vermögenswerten, Rechten und Pflichten im Todesfall. Dazu gehören u.a.

  • die Gründe für den Eintritt des Erbfalls sowie dessen Zeitpunkt und Ort,
  • die Berufung der Berechtigten, die Bestimmung ihrer jeweiligen Anteile und etwaiger ihnen vom Erblasser auferlegter Pflichten sowie die Bestimmung sonstiger Rechte an dem Nachlass, einschließlich der Nachlassansprüche des überlebenden Ehegatten oder Lebenspartners,
  • die Erbfähigkeit,
  • die Enterbung und Erbunwürdigkeit,
  • die Rechte der Erben, Testamentsvollstrecker und anderer Nachlassverwalter,
  • die Haftung für die Nachlassverbindlichkeiten und
  • die Pflichtteile.

Wonach richtet sich künftig das anzuwendende nationale Erbrecht?

Künftig richtet sich dem Grunde nach die gesamte Rechtsnachfolge von Todes wegen nach dem Recht des Staates, in dem der Erblasser zum Zeitpunkt seines Todes seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Für alle Menschen, die dauerhaft in Deutschland leben und dann versterben, gilt also – unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit – künftig deutsches Erbrecht. Ein Deutscher wird aber künftig nach französischem oder spanischem Recht beerbt, wenn er dort zuletzt überwiegend gelebt hat.

Kann der Erblasser bestimmen, nach seinem Heimatrecht beerbt zu werden?

Der Erblasser kann durch ein Testament oder einen Erbvertrag bestimmen, dass sein Vermögen nach seinem Tod nach dem Erbrecht des Staats vererbt wird, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt. Besitzt er mehrere Staatsangehörigkeiten, kann er das Recht eines der Staaten wählen, denen er zum Zeitpunkt seiner Rechtswahl oder zum Zeitpunkt seines Todes angehört. Ein dauerhaft auf Mallorca lebender Deutscher kann bestimmen, dass im Falle seines Todes deutsches Erbrecht gelten soll. Trifft er keine Rechtswahl, kommt spanisches Erbrecht zur Anwendung.

Welche Bedeutung hat das „Europäisches Nachlasszeugnis“?

Durch die Europäische Erbrechtsverordnung wird ein Europäisches Nachlasszeugnis als öffentliche Urkunde eingeführt, die das Erbrecht des Inhabers dokumentiert. Erben können damit in allen Mitgliedstaaten, in denen die Verordnung gilt, ihre Rechtsstellung einheitlich nachweisen. Darüber hinaus werden die nationalen Erbnachweise der Mitgliedstaaten (z. B. der Erbschein nach deutschem Erbrecht) in den anderen Mitgliedstaaten anerkannt.