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Private Krankenversicherung darf Kostenübernahme für künstliche Befruchtung nicht auf Verheiratete beschränken

Arzt, Patient & Behinderung 14. August 2020
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WoGi / stock.adobe.com

Eine privat krankenversicherte Frau mit Kinderwunsch muss nicht verheiratet sein, wenn sie krankheitsbedingt eine künstliche Befruchtung braucht. Anderslautende Versicherungsbedingungen sind unwirksam. Drei Versuche müssen aber reichen.

Eine Frau verklagte ihre private Krankenversicherung auf Kostenübernahme für eine In-vitro-Befruchtung. Die Frau kann zwar auf natürlichem Wege schwanger werden, sie leidet aber an einer chromosomalen Veränderung. Aufgrund dessen ist zu befürchten, dass sie mit einer Wahrscheinlichkeit von 50 Prozent keine intakte Schwangerschaft erleben bzw. das Kind nicht gesund sein wird.

Die Frau hatte schon ihrer Heirat einen erfolglosen Versuch zur künstlichen Befruchtung mit In-vitro-Fertilisation einschließlich von Behandlungsmaßnahmen zum Ausschluss genetischer Schädigungen für 11.771 Euro durchführen lassen. Die Krankenversicherung lehnte die Kostenübernahme mit der Berufung auf ihre Versicherungsbedingungen ab. Danach werden Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung nur dann bezahlt, wenn aufgrund von organisch bedingter Sterilität für insgesamt drei Behandlungsversuche eine hinreichende Erfolgsaussicht besteht. Allerdings besteht der Anspruch laut den Versicherungsbedingungen nur, wenn die Versicherungsnehmerin verheiratet ist und ausschließlich Ei- und Samenzellen der Ehegatten verwendet werden.

Die Krankenversicherung hält die Beschränkung auf Verheiratete wegen ähnlicher Bestimmungen für gesetzlich Versicherte für wirksam. Hinzu komme, dass die Versicherungsnehmerin grundsätzlich auf natürlichem Wege schwanger werden kann und damit nicht organisch steril ist.

Das Oberlandesgericht Karlsruhe entschied zugunsten der Frau, dass die Beschränkung der Kostenerstattung auf verheiratete Versicherte in allgemeinen Versicherungsbedingungen unwirksam ist. Anders als der Gesetzgeber, der bei den Leistungspflichten der gesetzlichen Krankenversicherung andere ‑ etwa gesellschaftspolitische ‑ Erwägungen anstellen dürfe, verfolge der private Krankenversicherer ausschließlich wirtschaftliche Interessen. Vor diesem Hintergrund sei die Unterscheidung zwischen verheirateten und unverheirateten Versicherten mit Kinderwunsch willkürlich und unwirksam. Die Beschränkung des Anspruchs auf insgesamt drei Versuche hielt das Gericht dagegen für zulässig.

Die Versicherungsnehmerin habe außerdem Anspruch auf die Erstattung hier infrage kommenden Behandlung zum Ausschluss genetischer Schädigungen der Eizellen bzw. des Embryos. Die bei ihr vorhandene genetische Veränderung beeinträchtige, auch wenn sie auf natürlichem Wege schwanger werden könne, wegen des hohen Risikos eines Scheiterns der Schwangerschaft bei genetischer Schädigung der Eizelle ihre Fortpflanzungsfähigkeit. Dies stelle im Ergebnis eine Krankheit dar.

(OLG Karlsruhe, Urteil vom 13.10.2017, Az. 12 U 107/17)

​Das Oberlandesgericht Karlruhe hat die Revision zum Bundesgerichtshof in dieser Sache zugelassen. Es bleibt also abzuwarten, ob die Karlsruher Richter genauso entscheiden werden.