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Überstunden richtig anordnen

Arbeitsvertrag & Einstellung 19. Mai 2016
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Überstunden richtig anordnen

© Konstantin Yuganov / fotolia.com

Überstunden gehören in fast jedem Arbeitsverhältnis zur Realität. Nicht selten wird dieser Punkt jedoch zum Streitthema. Arbeitgeber sollten deshalb kein Risiko eingehen und von Anfang an für eine klare und verständliche Regelung sorgen.

Unter Überstunden versteht man Überschreitungen der durch Arbeitsvertrag, Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung festgelegten regelmäßigen Arbeitszeit.

Wichtig: Es besteht keine gesetzliche Regelung für Überstunden. Arbeitgeber können aus diesem Grund nur Überstunden anhand einer entsprechenden Vereinbarung von ihren Mitarbeitern verlangen. In der Regel sollte diese im Arbeitsvertrag enthalten sein, alternativ ist aber zum Beispiel auch eine Vereinbarung mit dem Betriebsrat.

Allein auf Grund ihres Direktionsrechts können Arbeitgeber keine Überstunden anordnen. Eine Ausnahme kann in extremen Notfallsituationen, wie etwa einem Brand, möglich sein. Hier sind jedoch enge Grenzen zu ziehen. Das Fristende für die Bearbeitung eines Auftrages oder ein plötzlich eingehender Auftrag gehören allerdings nicht dazu.

Mehrarbeit oder Überstunden?

Wichtig ist zudem die Unterscheidung von Mehrarbeit und Überstunden. Als Mehrarbeit wird die Arbeitszeit bezeichnet, die die gesetzliche Regelarbeitszeit (acht Stunden pro Werktag/48 Stunden pro Woche) übersteigt. Diese Höchstarbeitszeiten sind im Arbeitszeitgesetz geregelt. Von Überstunden spricht man, wenn ein Mitarbeiter seine persönlich für ihn geltende Arbeitszeit überschreitet. Ist ein Betriebsrat vorhanden, entscheidet dieser nach dem Betriebsverfassungsgesetz mit, ob und in welchem Umfang, an welchen Wochentagen und von welchen Mitarbeitern Überstunden gemacht werden.

Überstundenklausel im Arbeitsvertrag

Um möglichen Problemen und Streitereien aus dem Weg zu gehen, sollten Arbeitgeber darauf achten, eine Überstunden-Klausel im Arbeitsvertrag unterzubringen. Oberstes Gebot ist dabei Transparenz. Für den Arbeitnehmer muss erkennbar sein, was auf ihn zukommen kann und in welchem Umfang Überstunden im Maximalfall angeordnet werden können, beispielsweise bis zur Grenze der gesetzlichen Höchstarbeitszeiten. In der Vergangenheit wurden etliche Überstunden-Klauseln von der Rechtsprechung für ungültig erklärt, da sie eben diesen Voraussetzungen nicht entsprachen.

Ist eine pauschale Abgeltung von Überstunden erlaubt?

Eine pauschale Abgeltung von Überstunden ist laut Bundesarbeitsgericht unwirksam. Klauseln mit Formulierungen wie „erforderliche Überstunden sind mit dem Monatsgehalt abgegolten“ sind demnach nicht gültig, da es für den Arbeitnehmer nicht ersichtlich ist, was im Extremfall an Mehrarbeit auf ihn zukommt. Ausgenommen sind leitende Angestellte, deren Gehalt über der Beitragsbemessungsgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung liegt (Weitere Informationen dazu erhalten Sie weiter unten).

Wichtig ist zudem, dass die Anzahl der Überstunden das übliche Maß nicht überschreitet. Eine zulässige Bestimmung ist zum Beispiel dann gegeben, wenn sie vorsieht, dass eine Überschreitung der vertraglich vereinbarten Wochenarbeitszeit von wöchentlich bis zu zehn Prozent bereits mit dem Monatslohn abgegolten und somit nicht gesondert zu bezahlen ist. Klauseln mit zehn Prozent sind durchaus üblich und vom Bundesarbeitsgericht für wirksam erklärt worden. Ebenfalls zulässig sind Regelungen, die Überstunden „bis zur Grenze der gesetzlichen Höchstarbeitszeiten“ festlegen sowie Klauseln, die exakt beschreiben, wie viele Überstunden mit dem monatlichen Gehalt abgegolten sind (z. B. drei Überstunden pro Woche).

Freizeitausgleich von Überstunden

Abgesehen von der Abgeltung der Überstunden oder einem finanziellen Ausgleich, der sich entweder nach der Regelung im Tarifvertrag (falls vorhanden), der Regelung im Arbeitsvertrag oder bei einer fehlenden Regelung im Arbeitsvertrag nach der Branchen- und Betriebsüblichkeit richtet, können Arbeitgeber auch einen Freizeitausgleich anordnen.

Dabei haben diese das Recht, den Zeitpunkt des Freizeitausgleichs selbstständig festzulegen. Zu beachten ist allerdings, dass sie die Arbeitsfreistellung dem Arbeitnehmer so rechtzeitig mitteilen, dass er sich noch ausreichend auf die zusätzliche Freizeit einstellen kann. Andernfalls ist die Anordnung unwirksam.

Doch auch ein Freizeitausgleich muss im Arbeitsvertrag oder in einem entsprechenden Tarifvertrag oder einer Betriebsvereinbarung vereinbart sein.

Fehlt es an einer solchen Vereinbarung, so kann der Arbeitgeber einen bereits entstandenen Anspruch auf Vergütung für geleistete Überstunden nicht einseitig durch Freistellung von der Arbeit erfüllen. Für viele Arbeitgeber aber auch für viele Arbeitnehmer ist der Ausgleich von Überstunden durch Freizeit attraktiver als die Bezahlung von Überstundenlohn. Wichtig ist auch hier eine klare und transparente Regelung, um späteren Streitigkeiten aus dem Weg zu gehen.

Dürfen Arbeitnehmer freiwillig Überstunden leisten?

Grundsätzlich müssen Überstunden vom Arbeitgeber angeordnet werden, wer freiwillig mehr arbeitet, hat keinen Anspruch auf Vergütung. Wenn der Arbeitgeber es jedoch bewusst zulässt oder duldet, dass seine Mitarbeiter aus eigenen Stücken länger arbeiten, ohne dass eine Regelung der Überstunden festgehalten wurde, muss er die entstandene Mehrarbeit entlohnen.

Möchte der Arbeitgeber dieser Regelung entgehen, muss er die Leistungsbereitschaft seiner Mitarbeiter begrenzen und sie “nach Hause schicken” oder sich darum kümmern, dass eine Überstundenregelung dem Arbeits-, Tarifvertrag oder der Betriebsvereinbarung hinzugefügt wird. Verzichtet der Arbeitgeber auf eine derartige Regelung, können Arbeitnehmer ihre geleisteten Überstunden geltend machen und die Bezahlung fordern.

Ausnahme: Leitende Angestellte

Eine wichtige Ausnahme sind Überstunden von Angestellten, deren Vergütung über der Beitragsbemessungsgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung liegt.

Leitende Angestellte, die mehr als monatlich 6.200 Euro in Westdeutschland (2016) beziehungsweise 5.400 Euro in Ostdeutschland verdienen, haben keinen grundsätzlichen Anspruch auf Vergütung, entschied das Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 22. Februar 2012, Az. 5 AZR 765/10). In der Begründung wird angeführt, dass ein leitender oder höherer Angestellter meist nach der Erfüllung seiner Aufgaben bezahlt wird, nicht allein nach den abzuleistenden Stunden.

Als leitende Angestellte werden solche Kräfte bezeichnet, die mit der Wahrnehmung von wesentlichen Arbeitgeberfunktionen betraut sind. Entscheidend ist hierbei eine Gesamtwürdigung der Befugnisse. Wichtige Kriterien dabei sind zum Beispiel Einstellungs- und Entlassungsbefugnis, eine nicht unbedeutende Handlungsvollmacht oder Prokura, oder die Übertragung sonstiger Aufgaben in unternehmerischer Funktion. Ist einer dieser Punkte dauerhaft zu bejahen, ist er in der Regel leitender Angestellter im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes.