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Winterreifen: Was Autofahrer wissen müssen

Auto & Verkehr 25. November 2016
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Winterreifen: Was Autofahrer wissen müssen

© Igor Link / fotolia.com

Was genau sind Winterreifen? Und besteht in Deutschland eine Winterreifenpflicht? Wir haben die wichtigsten rechtlichen Fragen für Sie geklärt.

Was versteht man unter »Winterreifen«?

§ 2 Abs. 3a StVO spricht von »M+S-Reifen nach der der EWG-Richtlinie 92/23«.  

M+S-Reifen sind »Reifen, bei denen das Profil der Lauffläche und die Struktur so konzipiert sind, dass sie vor allem auf Matsch und frischem oder schmelzendem Schnee bessere Fahreigenschaften gewährleisten als normale Reifen. Das Profil der Lauffläche der M+S-Reifen ist im allgemeinen durch größere Profilrillen und/oder Stollen gekennzeichnet, die voneinander durch größere Zwischenräume getrennt sind, als dies bei normalen Reifen der Fall ist.«

M+S-Reifen werden im allgemeinen Sprachgebrauch als Winterreifen bezeichnet, als solche verkauft und mit einem M+S-Symbol (teilweise auch in Verbindung mit dem Bergpiktogramm mit Schneeflocke – Alpine Symbol) gekennzeichnet. Aber auch Ganzjahresreifen können den Eigenschaften der Richtlinie 92/23/EWG entsprechen und mit einem M+S-Symbol versehen sein.

Fahrzeughalter die gesetzliche Definition nicht im Kopf zu haben: Kauft er Reifen mit dem M+S-Symbol, liegt er aus Sicht des Gesetzgebers jedenfalls richtig.

Wieviel Profil braucht ein Winterreifen?

Grundsätzlich verliert ein Winterreifen bei weniger als 4 mm Profiltiefe einen Großteil seiner Wirksamkeit. Dennoch fordert die StVZO nur eine Profiltiefe von 1,6 mm und unterscheidet dabei nicht zwischen Winter- und Sommerreifen. In Österreich dagegen gelten Reifen mit weniger als 4 mm als »Sommerreifen«.

Gibt es in Deutschland eigentlich eine Winterreifenpflicht?

Streng genommen – nein. Denn eine Winterreifenpflicht würde bedeuten, dass ein Fahrzeug während der Wintermonate mit Winterreifen ausgerüstet sein muss. Hierzu müsste der Gesetzgeber erst einmal schon genau bestimmen, was denn die »Wintermonate« überhaupt sind. Außerdem müsste eine Winterreifenpflicht  in der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO) angesiedelt sein.

Wie ein Fahrzeug auszurüsten ist, ist in Deutschland nämlich  in der StVZO geregelt. Nirgendwo wird man aber in der StVZO die Verpflichtung finden, Winterreifen aufzuziehen. § 36 StVZO spricht nur davon, dass die Reifen von Fahrzeugen den Betriebsbedingungen entsprechen müssen und dass bei der Verwendung von M+S-Reifen (Winterreifen), mit denen man nicht so schnell fahren kann, wie es das Fahrzeug normalerweise hergibt, ein entsprechender Hinweis im Cockpit anzubringen ist.

Eine Regelung, die sich auf die Benutzung von Winterreifen bezieht, findet sich aber in § 2 Abs. 3a Sätze 1 bis 3 der Straßenverkehrs-Ordnung (StVO):

»1. Bei Glatteis, Schneeglätte, Schneematsch, Eis- oder Reifglätte darf ein Kraftfahrzeug nur mit Reifen gefahren werden, die die in Anhang II Nummer 2.2 der Richtlinie 92/23/EWG des Rates vom 31. März 1992 über Reifen von Kraftfahrzeugen und Kraftfahrzeuganhängern und über ihre Montage (ABl. L 129 vom 14.5.1992, S. 95), die zuletzt durch die Richtlinie 2005/11/EG (ABl. L 46 vom 17.2.2005, S. 42) geändert worden ist, beschriebenen Eigenschaften erfüllen (M+S-Reifen). 2. Kraftfahrzeuge der Klassen M2, M3, N2 und N3 im Sinne der Anlage XXIX der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung in der Fassung vom 26. April 2012 (BGBl. I S. 679) dürfen bei solchen Wetterverhältnissen auch gefahren werden, wenn nur an den Rädern der Antriebsachsen M+S-Reifen angebracht sind. 3. Satz 1 gilt nicht für Nutzfahrzeuge der Land- und Forstwirtschaft sowie für Einsatzfahrzeuge der in § 35 Absatz 1 genannten Organisationen, soweit für diese Fahrzeuge bauartbedingt keine M+S-Reifen verfügbar sind.«

Die StVO regelt aber nicht, wie man ein Fahrzeug auszurüsten hat, sondern nur, wie sich ein Verkehrsteilnehmer verhalten muss (»darf nur gefahren werden«): Liegen auf einer (bestimmten) Strecke winterliche Straßenverhältnisse vor, darf man dort nur fahren, wenn man zuvor Winterreifen aufgezogen hat.

Welche Konsequenzen hat es, dass es keine eigentliche Winterreifenpflicht gibt?

Niemand ist also verpflichtet, während eines bestimmten Zeitraums Winterreifen aufzuziehen. Liegen allerdings winterliche Straßenverhältnisse vor, darf man mit Sommerreifen nicht mehr fahren. Das gilt aber auch nur dort, wo die Straße schneebedeckt, vereist oder glatt ist. Denn die Begriffe »bei Glatteis, Schneeglätte, Schneematsch, Eis- oder Reifglätte« beziehen sich auf den Straßenzustand, nicht auf das Wetter. Und der Straßenzustand kann variieren, je nachdem, wo man unterwegs ist.

Auch wer sein Fahrzeug – selbst für längere Zeit – nur auf der Straße abstellt (»Laternenparker«), braucht damit keine Winterreifen, da das Fahrzeug ja nicht „gefahren“ wird.

Sind die Straßen geräumt und gestreut, sind sie nicht mehr glatt, und eine Fahrt mit Sommerreifen dürfte damit zulässig sein. Andererseits kann es aber auch passieren, dass die genannten Straßenzustände schon im Herbst oder auch noch im Frühjahr eintreten – dann sind Winterreifen nötig. Allerdings wird bei Schneeglätte zu ungewöhnlicher Jahreszeit die Polizei in der Regel von einer Ahndung abgesehen.

Gibt es Ausnahmen?

Mit Ausnahme der ausdrücklich genannten »Nutzfahrzeuge der Land- und Forstwirtschaft« dürfen alle »Kraftfahrzeuge« nur mit Winterreifen gefahren werden.

Kraftfahrzeuge sind nach der Definition in § 1 Abs. 2 StVG Landfahrzeuge, die durch Maschinenkraft bewegt werden, ohne an Bahngleise gebunden zu sein, also Pkw, Lkw, aber auch Motorräder oder Quads.

Gibt es für Krafträder keine Winterreifen zu kaufen, wirkt sich § 2 Abs. 3a StVO als absolutes Fahrverbot aus (so der Kommentar von Hentschel/ König/ Dauer, Straßenverkehrsrecht, 43. Auflage 2015, § 2 StVO Rn. 72a). Darunter ändert es auch nichts, dass die EWG-Richtlinie, auf die für die Definition des »M+S-Reifens« Bezug genommen wird, auch nur für Kfz mit mindestens 4 Rädern gilt. Auch Busse (M2 und M3-Fahrzeuge) und Lkw (N2 und N3-Fahrzeuge) benötigen Winterreifen – allerdings nur an den Antriebsachsen.

Wie ist die Rechtslage bei einem Unfall?

Grundsätzlich könnte man daran denken, dass ein Versicherungsunternehmen bei einem Unfall seine Leistung in der Kasko- oder Haftpflichtversicherung kürzt. Das wäre nur möglich bei einer vorsätzlich oder grob fahrlässig vorgenommenen Gefahrerhöhung oder einer grob fahrlässigen Herbeiführung des Versicherungsfalles.

Bisher gibt es allerdings kein Gericht, das es als zulässig ansieht, dass die Versicherung bei einem Unfall mit Sommerreifen nicht (den ganzen Schaden) zahlt.

Das AG Mannheim (Urt. v. 22.05.2015 - Az.: 3 C 308/14) beispielsweise gab einem Versicherten Recht, als dessen Versicherung von ihm einen Teil der einem Unfallgegner ersetzten Schäden erstattet haben wollte. Grundsätzlich könne zwar in der Weiterbenutzung oder Inbetriebnahme eines verkehrsunsicheren Fahrzeugs eine Gefahrerhöhung zu sehen sein. Die Benutzung eines Pkw mit winteruntauglichen (Sommer-)Reifen könne daher grundsätzlich als Benutzung eines verkehrsunsicheren Fahrzeugs angesehen werden, wenn die Witterungsverhältnisse und Straßenverhältnisse die Benutzung von Winterreifen gebieten würden.

Eine Gefahrerhöhung könne jedoch nur dann bejaht werden, wenn der Pkw (mit Sommerreifen) bei durchgehend herrschenden winterlichen Straßenverhältnissen längerfristig bzw. für längere Fahrten benutzt worden wäre, wofür der Versicherer beweispflichtig gewesen wäre.

Eine grob fahrlässige Herbeiführung eines Versicherungsfalles liege auch nicht vor. Der Gesetzgeber sehe keinen Zeitraum vor, in dem Winterreifen aufgezogen werden müssten. Die StVO besage, dass bei Glatteis, Schneeglätte, Schneematsch, Eis- oder Reifglätte ein Kraftfahrzeug nur mit  M+S- Reifen gefahren werden dürfe. Eine feste Vorgabe, ab wann besagte Reifen aufzuziehen seien, gäbe es dennoch nicht. Es gelten lediglich Empfehlungen, die allerdings sehr vage formuliert seien.

Auch wenn man allgemein sage, Winterreifen sollten von Oktober bis Ostern aufgezogen werden oder sie seien bei Temperaturen unter 7 Grad die bessere Wahl, handele niemand grob fahrlässig, der sich an diese Empfehlungen nicht hält.

Auch das AG Papenburg (Urt. v. 10.03.2016 - 20 C 322/15) nahm eine grobe Fahrlässigkeit des Versicherten nicht an. Es fehle in subjektiver Hinsicht an gesteigertem Verschulden. Es sei nicht erwiesen, dass der Versicherungsnehmer bei Antritt der Fahrt davon ausgegangen sei, dass Glatteis herrsche. Außerdem sei nicht erwiesen, dass der Unfall mit aufgezogenen Winterreifen vermieden worden wäre: gerade bei Glatteis würden Winterreifen oft auch nicht helfen.

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Dr. jur. Adolf Rebler