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Fragen, die Arbeitgeber im Vorstellungsgespräch NICHT stellen dürfen

Arbeitnehmer & Auszubildende 19. März 2015
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© pathdoc / fotolia.com

Nicht alle Fragen im Job-Interview sind arbeitsrechtlich legitim. Während die Familienplanung Privatangelegenheit ist, müssen sich Kandidaten Fragen nach Vorstrafen gefallen lassen, wenn der Bezug zur angestrebten Arbeitsstelle klar ist.

“Wollen Sie Kinder haben?” Es hat sich herumgesprochen, dass diese Frage im Vorstellungsgespräch nichts verloren hat. Hier dürfen Kandidatinnen ausdrücklich unwahr antworten – die Frage ist schlicht dreist. Wer trotz des unfreiwilligen Einblicks in die Unternehmenskultur, in der solche Fragen gedeihen, dennoch weiter an dem Arbeitsplatz interessiert ist, sollte cool reagieren. Eine patzige Reaktion mag zwar arbeitsrechtlich gedeckt sein – zum Ziel namens “Job” führt sie nicht.

Unser Tipp: lieber nochmals die persönlichen Stärken listen, die die eigene Jobeignung unterstreichen, und die eigentliche Frage geschickt verpuffen lassen. “Kinder? Ach Gott, irgendwann vielleicht einmal…” Oder aber den Arbeitgeber als das erkennen, was er ist, nämlich ein allein auf Effizienz fixiertes Räderwerk, in dem man selbst nichts weiter als eine Schraube sein wird, die bei Bedarf sofort ausgetauscht wird. Und dankbar sein, dass man dies noch vor der Probezeit herausfinden konnte.

“Sind Sie vorbestraft?”

Pikant ist auch die Frage nach eventuellen Vorstrafen oder laufenden juristischen Verfahren. Hier gilt der Grundsatz, dass solche Fragen nur dann gestattet sind, wenn ihnen der Bewerber zustimmt oder wenn sie für die Durchführung des Arbeitsverhältnisses nötig sind. Im nicht-juristischen Klartext: Es muss bei dem Arbeitsplatz um Geld und den (vertrauensvollen) Umgang damit gehen, um die Frage nach eventuellen Vorstrafen stellen zu können.
Ein paar Beispiele: Kandidaten um Stellen als Geldboten oder Kassierer darf man nach Unterschlagungen oder Diebstahlsdelikten fragen. Und wer Chauffeur werden will, muss sich die Frage nach Verkehrsvergehen gefallen lassen.

UNSPEZIFIZIERTE FRAGEN

In einem anderen verhandelten Fall hatte sich der spätere Kläger im Sommer des Jahres 2009 als Lehrer an einer Hauptschule in Nordrhein-Westfalen beworben. Er wurde dann auch eingestellt. 

Nach einem anonymen Hinweis an die Bezirksregierung stellte sich jedoch heraus, dass der Lehrer unwahre Angaben zu Fragen bezüglich Straf- und Ermittlungsverfahren gemacht hat. Durch Amtshilfe der Staatsanwaltschaft traf dann eine Liste ein, in der mehrere eingestellte Ermittlungsverfahren gegen den Lehrer dokumentiert waren.

Das Land fühlte sich getäuscht und kündigte dem Lehrer außerordentlich. Der Lehrer hätte die Frage nach etwaigen Ermittlungsverfahren unrichtig beantwortet, war die Begründung. Anders argumentierte der entlassene Lehrer: Fragen nach bereits eingestellten Ermittlungsverfahren hätte er nicht beantworten müssen. Er bestritt daraufhin den Klageweg. Nach mehreren Instanzen gab das Bundesarbeitsgericht letztlich dem Lehrer recht – mit folgender, in den Leitsätzen des Urteils formulierten Begründung:

“An der Informationsbeschaffung durch die unspezifizierte Frage nach eingestellten Ermittlungsverfahren an den Stellenbewerber besteht grundsätzlich kein berechtigtes Interesse des potenziellen Arbeitgebers. Eine solche Frage ist damit im Regelfall nicht erforderlich iSv. § 29 Abs. 1 Satz 1 DSG NRW (juris: DSG NW 2000). Das ergibt sich aus den Wertentscheidungen des § 53 BZRG. Eine allein auf die wahrheitswidrige Beantwortung einer solchen Frage gestützte Kündigung verstößt deshalb gegen die objektive Wertordnung des Grundgesetzes, wie sie im Recht auf informationelle Selbstbestimmung zum Ausdruck kommt, und ist nach § 138 Abs. 1 BGB unwirksam.” (Urteil vom 15.11.2012, 6 AZR 339/11)

Wir müssen leider draußen bleiben: weitere unzulässige Fragen im Vorstellungsgespräch

In ihrem Online-Tutorial “Online Akademiker Bewerbungstrainer” (Kapitel “Das Bewerbungsgespräch”, Folie 15/26) listet die Bundesagentur für Arbeit weitere Fragen, die im Job-Interview in den meisten Fällen nichts zu suchen haben: 

Dazu zählen Fragen nach der Abstammung und Herkunft der Kandidaten, nach Konfession, Gewerkschafts- oder Parteizugehörigkeit oder erfolgten Lohnpfändungen. “In den meisten Fällen” meint: Ausnahmen bestätigen die Regel. So dürfen Parteien, die ja auch Arbeitgeber sind, Bewerber natürlich Fragen, ob und welcher Partei sie angehören. Kirchlichen Arbeitgebern wie der Diakonie ist es erlaubt, in Erfahrung zu bringen, ob Bewerber katholisch oder evangelisch sind. Solche Arbeitgeber sind eng umrissen und haben daher auch eine eigene Bezeichnung: Man spricht – sinnig und stimmig – von “Tendenzbetrieben”.

Neben den unzulässigen gibt es begrenzt zulässige Fragen. Auch hier ist die spezifische Bewerbungssituation entscheidend. Ein paar Beispiele: Nach Krankheiten darf nur gefragt werden, wenn die Krankheit berufsrelevant ist oder ein Risiko für Kollegen darstellt. Eine Behinderung darf nur dann Thema des Auswahlgespräches werden, wenn die Einschränkung die Ausübung des Berufes beeinträchtigen würde. “Über Geld redet man nicht – Geld hat man”? Das gilt auch für die meisten Job-Interviews. Nach ihren finanziellen Verhältnissen müssen sich nur diejenigen Fragen gefallen lassen, die eine Leitungsfunktion oder eine Position mit besonderem Vertrauensverhältnis anstreben.

Falls gar nichts hilft: Lügen erlaubt!

Die meisten Recruiter haben eine gesicherte Grundbildung dazu, was sie fragen dürfen und was nicht. Schießt ein Personaler dennoch übers Ziel hinaus, so empfehlen Fachleute keine “Geht Sie gar nichts an”-Reaktion. Schon der Verweis auf die Unzulässigkeit wird oft als “zickig” wahrgenommen. Wer also trotz Frage-Fouls überhaupt noch Interesse hat, bei so einem Arbeitgeber anzuheuern (und nicht gleich den Raum verlässt), der sollte einen Mittelweg wählen: nochmals die eigene – fachliche! – Eignung für die ausgeschriebene Stelle darlegen und auf die Frage selbst mit einer Mischung aus Nebelgranate (“Kinder? Kann schon sein, irgendwann vielleicht mal, wir haben nichts Konkretes geplant”) oder – das ist erlaubt – Unwahrheit reagieren (“Kinder gehören nicht zu unserer Lebensplanung”: Wenn der Arbeitgeber die Frage im Hinblick auf die avisierte Tätigkeit im Betrieb nicht stellen durfte, ist diese Antwort selbst dann ok, wenn bereits eine Schwangerschaft vorliegt).

Achtung: Lügen Sie auf eine zulässige Frage, kann der Arbeitgeber den Arbeitsvertrag wegen arglistiger Täuschung anfechten. Die Folge ist, dass der Vertrag unwirksam und das Arbeitsverhältnis beendet ist. Ferner kann der Arbeitgeber unter Umständen Schadensersatzansprüche gegen Sie geltend machen.

Wann der Bewerber den Arbeitgeber ungefragt informieren muss

Auch ohne entsprechende Frage können Sie verpflichtet sein, bestimmte, in Ihrer Person liegende Umstände zu offenbaren. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn Sie erkennen müssen, dass Sie aufgrund bestimmter Umstände nicht in der Lage sind, den wesentlichen Anforderungen des vorgesehenen Arbeitsplatzes gerecht zu werden. Verletzen Sie Ihre Auskunftspflicht, kann der Arbeitgeber den Arbeitsvertrag wegen arglistiger Täuschung anfechten.

Beispiel: Bei einer Bewerbung um eine Außendiensttätigkeit muss der Bewerber den Arbeitgeber ungefragt über ein bestehendes Fahrverbot informieren, wenn Autofahren zu einem wesentlichen Teil der Tätigkeit gehört. Wer sich als Dachdecker bewirbt, muss bei seiner Bewerbung ungefragt einen Bandscheibenvorfall anzeigen.